Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

§ 92 Die Pflichten der Veamten. 53 
anschauung des übergeordneten Gerichts seiner Entscheidung zu- 
grunde zu legen, bei jedem Kollegialgerichte muß fortgesetzt ein oder 
das andere Mitglied Urteile abfassen und unterzeichnen, mit denen 
es in keiner Hinsicht einverstanden ist. Dieser Zustand, daß eben 
der Beamte ein Amt und keine Meinung hat, ist die notwendige 
Folge jedes Behördenorganismus, und nichts scheint verkehrter, 
als darüber mit tragischem Pathos Betrachtungen anzustellen. 
Nur in einem Falle ist die Gehorsamspflicht eingeschränkt, näm- 
lich soweit das Verhältnis der Minister zum Könige in Betracht 
kommt. Die Minister sind verantwortlich für die von ihnen gegen- 
gezeichneten Regierungsakte des Königs bezüglich deren Gesetz- 
mäßigkeit#). Die Minister dürfen also keinen königlichen Re- 
gierungsakt gegenzeichnen, den sie rechtlich oder politisch nicht 
vertreten können. Das gewöhnliche Verhältnis wird hier umgekehrt. 
Das untergeordnete Organ hat die Regierungshandlungen des 
Königs zu legalisieren und ist zur Verweigerung der Gegenzeichnung 
verpflichtet, falls es die Gesetzmäßigkeit oder auch nur die politische 
Zweckmäßigkeit des gegenzuzeichnenden Aktes nicht anzuerkennen 
vermag. Besteht der König auf seinem Willen, so bleibt dem 
Minister nichts anderes übrig, als seine Entlassung zu nehmen. 
Eine zweite Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen über 
die Gehorsamspflicht stellt man gewöhnlich hinsichtlich der richter- 
lichen Beamten auf, da die Gerichte verfassungsmäßig keiner anderen 
Autorität als der des Gesetzes unterworfen sind. Diese Ausnahme 
beruht aber auf einer Verwechslung der Gerichtsbehörden und der 
richterlichen Beamten. Die Tätigkeit der Gerichte darf durch 
Regierungs= oder Verwaltungsanordnungen nicht beeinträchtigt 
werden. Wenn der einzelne Richter einem höheren Befehle, der 
ihm vorschreibt, wie er das Recht anwenden soll, den Gehorsam 
versagt, so ist er hierzu verpflichtet, weil der Befehl einem Verbots- 
gesetze widerstreitet, aber auch nur soweit er dies tut. Der Richter 
muß daher beispielsweise in gewissen Fällen die Rechtsanschauung 
des höheren Gerichts seiner Entscheidung zugrunde legen. Die 
Gehorsamspflicht des Richters ist also genau dieselbe wie die aller 
übrigen Beamten, nur um eine Sonderstellung der Gerichte handelt 
es sich, und diese ist hier nicht weiter zu erörtern. 
19) Vgl. die Ausführungen über die Ministerverantwortlichkeit in 
88 23, 24. 
 
	        
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