8 93 Das Disziplinarverfahren. 61
Gesetz vom 21. Juli 1852 betreffend die Dienstvergehen der nicht
richterlichen Beamten und die Versetzung derselben auf eine andere
Stelle oder in den Ruhestand'). Zu ersterem Gesetze erging als
Novelle das Gesetz vom 26. Mai 185610). Außerdem erfuhr es
verschiedene Abänderungen durch das gleichzeitig mit dem Gerichts-
verfassungsgesetze in Kraft getretene Gesetz vom 9. April 1879
betreffend die Abänderung von Bestimmungen der Diseziplinar-
gesetze.
Als Dienstvergehen sind hiernach anzusehen: a) die Ver-
letzung der Pflichten, welche das Amt dem Beamten auferlegt,
und b) wenn er sich durch sein Verhalten in und außer dem
Amte der Achtung, des Ansehens und des Vertrauens, die sein
Beruf erfordert, unwürdig zeigt. Ist eine Handlung der gedachten
Art zugleich in den gemeinen Strafgesetzen vorgesehen, so können
die dadurch angedrohten Strafen nur auf Grund des gewöhn-
lichen Strafverfahrens von den ordentlichen Gerichten erkannt
werden. Hierdurch ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß nach Frei-
sprechung des Angeschuldigten oder, wenn eine nicht mit dem
Verluste des Amtes verbundene Verurteilung erfolgt ist, wegen
derselben Tatsache, welche in der strafgerichtlichen Untersuchung
zur Erörterung gekommen sind, nachher noch ein Disziplinar-
verfahren in dieser Beziehung eintrittu). In diesem ist zu befinden,
ob nicht dennoch eine Disziplinarstrafe ungeachtet der Freisprechung
oder außer der erkannten Strafe zu verhängen sei (88 2—5 des
Ges. vom 7. Mai 1851, 8§8 2—5 des Ges. vom 21. Juli 1852).
Aus diesen Bestimmungen der preußischen Disziplinargesetze
ergibt sich der juristische Charakter des Disziplinarstrafrechts.
Die eine Ansichtu) sieht in dem Dissziplinarstrafrechte ein
Sonderstrafrecht für Beamte. Der Charakter der Disziplinar=
strafe ist hiernach derselbe wie der der gewöhnlichen Strafe. Die
Verschiedenheit beider besteht bloß in der Behörde, welche die
2) GS. 1852, S. 465 ff.
0) GS. 1856, S. 201.
11) Der Disziplinarrichter ist an die tatsächlichen Feststellungen des
Strafrichters nicht gebunden. So Entsch. des Staatsministerlums vom
23. März 1891 — M. Bl. d. inn. Verw. 1891, S. 134 —, anderer Ansicht
Entsch. des O##. vom 31. Oktober 1899 Bd. 22, S. 428.
12) Vgl. die N. 1 zitierten Schriften von Heffter, Buddeus,
Meves, Schütze, Berner, neuerdings noch H. Schulze ag. a. O.