Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

68 Das Verwaltungsrecht. 8 93 
werden die Akten dem Staatsministerium zugesandt, welches in 
den von den Provinzialbehörden eingehenden Sachen nach Vor— 
trag eines Berichterstatters und nach Einholung eines Gutachtens 
des Disziplinarhofes, in den vorher vor dem Dissziplinarhofe ver- 
handelten Sachen auf den Vortrag zweier Berichterstatter, von 
denen einer dem Justizministerium angehören muß, eine Ent- 
scheidung trifft. Lautet das Gutachten oder die Entscheidung des 
Disziplinarhofes auf Freisprechung des Angeschuldigten oder nur 
auf Warnung oder Verweis, so kann das Staatsministerium, 
wenn es den Angeschuldigten strafbar findet, nicht die Strafe 
der Dienstentlassung, sondern nur eine geringere Disziplinarstrafe 
verhängen oder die einstweilige Versetzung in den Ruhestand mit 
Wartegeld verfügen. Jede rechtskräftige Entscheidung der Disziplinar- 
behörde, welche auf Dienstentlassung lautet, bedarf der Bestätigung 
des Königs, wenn der Beamte vom Könige ernannt oder bestätigt 
worden ist (88§ 30—47 des Ges. vom 21. Juli 1852). 
Ein Wiederaufnahmeverfahren besteht nicht. 
Auf die Beamten der Kommunal= und Selbstverwaltung finden 
diese Bestimmungen mit der Maßgabe Anwendung, daß erkennende 
Gerichte die Verwaltungsgerichte sind, in höchster Instanz also 
das Oberverwaltungsgericht. 
Beamte, welche auf Probe, auf Kündigung oder sonst auf 
Widerruf angestellt sind, können ohne ein förmliches Disziplinar- 
verfahren von der Behörde, welche ihre Anstellung verfügt hat, 
Referendare wegen unwürdigen Verhaltens oder nicht genügenden 
Fortschreitens in ihrer Ausbildung von dem Minister nach An- 
hörung der Provinzialdienstbehörde entlassen werden. Ueber die 
Entlassung von Kanzleidienern, Boten, Kastellanen und ähnlichen 
Dienern, welche keiner Provinzialdienstbehörde untergeordnet sind, 
entscheidet der Minister nach Anhörung des Angeschuldigten und 
auf den Vortrag zweier Berichterstatter, zu denen stets ein Justitiar 
oder ein Rat des Justizministeriums gehören muß (88 83—86 
des Ges. vom 21. Juli 1852). 
Gegen richterliche Beamte, ausgenommer Oberlandesgerichts- 
präsidenten, kann der Dienstvorgesetzte eine Mahnung aussprechen. 
Dagegen hat der Beamte entweder das Recht der Beschwerde an 
den nächst höheren Vorgesetzten oder den Antrag auf förmliches 
Disziplinarverfahren, in dem dann allerdings auch auf Disziplinar-
	        
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