Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8161 Rechtsanwaltschaft und Notariat. 103 
heitsdienstes, sondern nur deren Beamte der Staatsanwaltschaft 
unterstellt. Diese Beamten befinden sich also in einem doppelten 
Unterordnungsverhältnisse, einmal zu der vorgesetzten Polizei- 
behörde und dann zur Staatsanwaltschaft. Letztere hat insbesondere 
gegen sie, sofern sie ihr Amt nicht als Ehrenamt versehen, ein 
Ordnungsstrafrecht (88 80, 81 preuß. AussfG.). Es bleibt sonach 
in jedem einzelnen Falle, in dem sich die Vornahme einer poli- 
zeilichen Handlung als notwendig erweist, der Staatsanwaltschaft 
überlassen, entweder die Polizeibehörde darum zu ersuchen oder 
den einzelnen Beamten damit zu beauftragen. 
8 161. Rechtsanwaltschaft und Notariatt). 
Die Rechtsanwälte sind dazu bestimmt, die Interessen der 
Parteien vor Gericht zu vertreten. Insofern bilden sie ein Hilfs- 
organ der Rechtsprechung in ähnlicher Weise wie die Staatsanwalt- 
schaft. Während aber die letztere einen in sich geschlossenen Organis- 
mus staatlicher Justizbehörden umfaßt, ist die Rechtsanwaltschaft 
überhaupt kein Behördenorganismus, sondern dient nur zur Be- 
zeichnung des Inbegriffs der zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen 
Personen. Diese haben keinerlei amtlichen Charakter, sie stehen 
weder in einem Dienstverhältnisse zum Reiche oder zu einem Einzel- 
staate oder zu einem Kommunalverbande, noch üben sie irgend- 
welche staatlichen Aufgaben aus. Es besteht nur ein privatrechtliches 
Vollmachtsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalte und der Partei 
über die Wahrnehmung der Parteiinteressen vor Gericht. Die 
Rechtsanwälte, welche solche Geschäfte gewerbsmäßig gegen Entgelt 
versehen, sind gleichwohl keine Gewerbetreibenden. Insbesondere 
findet die Gewerbeordnung auf sie keine Anwendung. Aus rechts- 
politischen Gründen läßt der Staat zu diesem Berufc nicht jeden 
zu, sondern knüpft die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und ihre 
Ausübung an gewisse Bedingungen. Eine solche Regelung der 
Verhältnisse der Rechtsanwälte hat für das ganze Reich einheitlich 
stattgefunden durch die Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juni 1878.) 
mit Aenderungen vom 22. Mai 1910/8). 
—. — ———— — — 
1) Vgl. Weißler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft, Leipzig 1905. 
2) Demgemäß sollen nach feststehender Rechtsprechung der Ehren- 
gerichte die Rechtsanwälte sich nicht der Geschäftspraxis der Gewerb- 
treibenden wie der Reklame, des Unterbietens usw. bedienen. 
3) Rol. 1878, S. 177 ff., 1910, S. 772. Vgl. dazu die preußische
	        
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