172 Das Verwaltungsrecht. 167
Sind nur einzelne Bestimmungen der Polizeiverordnung rechts-
ungültig, so läßt dies nach dem allgemeinen Grundsatze: „utile
per inutile non vitiatur“ die Gültigkeit der übrigen Vorschriften
unberührt. Insbesondere macht die Ueberschreitung des gesetzlichen
Höchstmaßes der Strafandrohung nicht die ganze Polizeiverordnung
oder auch nur die Strafandrohung ungültig, sondern der Richter
hat die Verordnung außer Anwendung zu lassen, soweit sie eine
über das gesetzliche Höchstmaß hinausgehende Strafe androht, und
innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu erkennens"). Zweitens muß
das Gericht, nachdem es die Rechtmäßigkeit der Polizeiverordnung
festgestellt hat, in tatsächlicher Beziehung ermitteln, ob der Ver-
ordnung wirklich zuwidergehandelt ist. Erst aus diesen beiden Ober-
sätzen ergibt sich die Schlußfolgerung des richterlichen Urteils,
welches ausspricht, daß der Angeklagte der Uebertretung schuldig
und deshalb der Polizeiverordnung gemäß zu bestrafen.
Von besonderer Bedentung ist für die richterliche Entscheidung
die Frage, inwiefern zur Feststellung des Tatbestandes der Polizei-
übertretung Vorsatz oder Verschulden erforderlich ist. Diese Frage
beantwortet sich aus dem Wesen der Polizeistrafe als eines Zwangs“
mittels. Der Angeschuldigte braucht demnach das Bewußtsein der
Strafbarkeit seiner Handlung oder Unterlassung nicht gehabt zu
haben, wohl aber ist es notwendig, daß er die zu erzwingende
Handlung ausführen konnte, daß er die zu unterlassende Handlung
nicht zu begehen brauchte, da andernfalls das Zwangsmittel gegen-
standslos sein würdeo).
Neben diesem ordentlichen Rechtswege ist durch die Straf-
prozeßordnung §§ 453 ff. ein vorläufiges Verwaltungsverfahren
wegen Uebertretungen zugelassen. Die Polizeibehörde kann landes“
gesetzlich ermächtigt werden, eine in den Strafgesetzen angedrohte
Uebertretungsstrafe durch Strafverfügung festzusetzen. Die Straf-
verfügung, in der außer der Straffestsetzung die strafbare Handlung,
das angewendete Strafgesetz und eine Belehrung über die Rechts-
mittel enthalten sein muß, darf keine andere Strafe als Haft bis
zu 14 Tagen, Geldstrafe oder die an ihre Stelle tretende Haft und
eine etwa verwirkte Einziehung aussprechen. Gegen die Straf“
54) Uebereinstimmend Nosin a. a. O. S. 182.
*5) Uebereinstimmend Entsch. des KG. vom 10. Jannar 1881 — Joh o w
und Kintzel, Bd. 2, S. 251 —.