8169 Die höhere Sicherheitspolizei. 183
Das Gesetz unterscheidet zwischen Versammlungen und Ver-
einen, ohne beide Begriffe zu bestimmen. Nach dem allgemeinen
Sprachgebrauche, der zweifellos auch für den Gesetzgeber maß-
gebend gewesen ist, bezeichnet „Versammlung“ jedes geordnete Bei-
sammenseins) einer größeren Personenzahl zwecks gemeinsamer Be-
katung. Ein Verein ist dagegen nur dann vorhanden, wenn es
sich nicht bloß um eine einmalige Vereinigung der betreffenden
Personen handelt, sondern eine auf die Dauer berechnete Ver-
bindung, welche sich, namentlich in einer dauernden Organisation
zeigt, vorliegt. Das Dasein einer Versammlung ist bedingt durch
das tatsächliche Beisammensein einer Personenmehrheit, die des
Vereins dagegen nicht. Sind die Mitglieder eines Vereins zur
Erfüllung der Vereinszwecke beisammen, so bilden sie eine Ver-
sammlung, und es greifen die Bestimmungen über das Versamm-
lungsrecht Platz. Der Verein besteht aber auch in der Zeit zwischen
den einzelnen Versammlungen. Im allgemeinen wird es hiernach
eine Frage des einzelnen Falles sein, ob eine Personenvereinigung
bloß Versammlung im weiteren Sinne oder auch ein Verein ist.
Vereine zu wirtschaftlichen Zwecken erhalten die Rechtsfähig-
keit nach den besonderen reichsgesetzlichen Vorschriften für die
einzelnen Gesellschaftsormen und mangels solcher durch staatliche
Verleihung, in Preußen nach der Verordnung vom 16. November
1899. Diese Vereine fallen vollständig in das Gebiet des Privat-
rechtes und scheiden hier für die weitere Erörterung aus. Ein
Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
gerichtet ist — man spricht hier gewöhnlich von Vereinen mit
idealen Zwecken —, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in
das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichtes (§ 31 BG#.).
Das Amtsgericht hat die Anmeldung der zuständigen Verwaltungs-
behörde mitzuteilen, und diese kann gegen die Eintragung Ein-
d. inn. Verw. 1908, S. 11, 14 —. Bearb. von Delius, Berlin 1008;
E. Müller und G. Schmid, München 1908; Vossen, Kommentar
und System des öffentlichen und privaten deutschen Reichsvereinigungs-
rechts, Berlin und Leipzig 1909; Stier--Somlo, Stuttgart 1909.
2) Im Gegensatz dazu hält das KG. in seinen Entsch, vom 9. Juli und
30. Oktober 1885 — Johow und Küntzel, BVd. 6, S. 243, 246 — die
einheitliche Konstituierung und eine geordnete Debatte für nicht notwendig.
llein dann wäre jegliches zwanglose Beisammensein als Versammlung
aufzufassen, was augenscheinlich der Absicht des Gesetzgebers nicht entspricht.