Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

22 Das Verwaltungsrecht. 8151 
beeinträchtigt wurde. Lehnte die Volksvertretung ihre Zustimmung 
ab oder gab sie diese nur unter Einschränkungen, so verweigerte 
einfach der Souverän die Ratifikation, gegebenenfalls mit dem 
Unerbieten, einen entsprechend geänderten Vertrag mit dem anderen 
Teile einzugehen. 
Es würde sich nur fragen, welche Bedentung einer etwa seitens 
des Monarchen verfassungswidrig ohne Zustimmung der Volks- 
vertretung erteilten Ratisikation beizumessen ist. Fest steht, daß 
der Monarch derjenige ist, welcher die völkerrechtlichen Verträge 
abschließt. Ganz besonders trifft dies zu im monarchischen Staate, 
wo der Monarch Grund und Quelle aller Staatsgewalt ist, alle 
Staatsakte also entweder vom Herrscher selbst oder in seiner Ver- 
tretung vorgenommen werden. Allein damit ist doch nicht aus- 
geschlossen, daß der Herrscher bei Ausübung der Staatsgewalt 
an gewisse wesentliche Formen gebunden wird. Wenn eine solche 
Beschränkung im inneren Staatsleben möglich ist, so ist nicht ab- 
zusehen, weshalb sie beim Abschlusse von Staatsverträgen un- 
zulässig sein sollte. Das Staatsrecht kann also jedenfalls den 
Herrscher beim Abschlusse von Staatsverträgen an die Zustimmung 
der Volksvertretung binden. 
Ein Widerspruch zwischen Staatsrecht und Völkerrecht würde 
aber dann entstehen, wenn es einen völkerrechtlichen Rechtssatz 
geben sollte, daß der Herrscher oder das Haupt der vollziehenden 
Gewalt den Staat durch seine Erklärungen ohne Rücksicht auf 
die Bestimmungen des positiven Staatsrechts völkerrechtlich ver- 
pflichten kann. In diesem Falle würde ein ähnlicher Widerspruch 
vorliegen, wie er auf dem Gebiete des Privatrechts zwischen Voll- 
macht und Auftrag möglich ist. Es kann jemand durch seine Voll- 
macht, d. h. Dritten gegenüber, zu Rechtshandlungen befugt sein, 
die ihm sein Auftraggeber in dem erteilten Auftrage untersagt 
hat. Ein gegen den Auftrag, aber innerhalb der Grenzen der 
Vollmacht vorgenommener Rechtsakt, würde hier von dem Dritten 
gegen den Auftraggeber geltend gemacht werden können, und es 
müßte diesem überlassen bleiben, seinen Rückgrisf gegen den auf- 
tragswidrig handelnden Bevollmächtigten zu nehmen. Aehnlich 
würde durch den verfassungswidrig ohne Zustimmung der Volks- 
vertretung abgeschlossenen Vertrag der Staat völkerrechtlich ver- 
pflichtet werden, nur die bei dem Vertragsabschlusse mitwirkenden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.