Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

294 Das Verwaltungsream. 8180 
gehalten wurde. Die bäuerlichen Hand- und Spanndienste mußten 
schon aus dem Grunde, weil sie den Ersatz der früheren Kriegs- 
dienste bildeten, sehr geringfügig sein. Sie betrugen meist nur 
wenige Tagec nicht etwa in der Woche, sondern im Jahre. Unter 
diesen Umständen wird es begreiflich, daß die Bewegung des Bauern- 
krieges in Ostdeutschland nicht den geringsten Anklang fand. 
Erst seit Mitte des 16. Jahrhunderts, als auch im Osten 
von den Großgrundbesitzern die Landwirtschaft als steigerungs- 
fähiger Erwerbszweig betrachtet wurde, verschlechtert sich unter 
der ständischen Reaktion die Lage des Bauernstandes mehr und 
mehr. Jede Stenerbewilligung und jede Uebernahme landesherr- 
licher Schulden seitens der Stände hat mit unfehlbarer Gewißheit 
eine neuc Beeinträchtigung der Bauern zugunsten der Gutsherren 
zur Folge. Namentlich ist dies in Brandenburg der Fall unter 
Kurfürst Johann Georg (1571.—1598), dessen Regierungszeit den 
Höhepunkt der ständischen Reaktion bezeichnet. Gleich nach seinem 
Regierungsantritte wurde die Dienstpflicht der Bauern für den 
Gutsherren auf zwei Tage wöchentlich festgestellt, jedoch nurer 
Anerkennung der Befreiung derjenigen, welche bisher nicht dienst- 
pflichtig gewesen waren. Allein im Interesse der „Gleichheit“ 
wurde letzterer Vorbehalt bereits 1593 aufgegeben, und eine all— 
gemeine Dienstpflicht festgesetzt. Aber auch über dieses gesegliche 
Maß hinaus wurden die Dienste und in ähnlicher Weise die Zins— 
leistungen fortdauernd gesteigert. Seit 1540 war auch schon ohne 
Rücksicht auf etwaige erbliche Besitzrechte der Bauern den Guts- 
herren zu ihrer Notdurft die Einziehung der Bauerngüter gegen 
Zahlung des Kaufpreises gestattet worden. Die Landesordnung 
Johann Georgs bezeichnet diese Befugnis bereits als einen alten 
Gebrauch. Es war damit auch das erbliche Besitzrecht der Bauern 
durchbrochen, und der Grund gelegt zu dessen gewohnheitsrechtlichem 
Ersatz durch eine andere Besitzweise. Dazu kommt endlich die L 
Anfang des 16. Jahrhunderts sich mehr und mehr neben der 
dinglichen Abhängigkeit der bäuerlichen Güter vom Großgrund-- 
besitze ausbildende persönliche Erbuntertänigleit der Bauern gegen- 
über dem Gutsherren, wie die Verpflichtung der Bauernkinde#r 
zu Gesindediensten auf dem Gutshofe und sonstige persönliche 
Leistungen ohne Rücksicht auf den Grundbesitz. 
Diese drückende, sich stetig verschlechternde Lage des Bauern=
	        
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