8161 Die Staatsverträge. 25
erforderlich ist. Wird diese verweigert, so ist ein unlösbarer Zwie—
spalt zwischen Staatsrecht und Völkerrecht vorhanden. Dies ist
das englische System. Oder der Staat legt ein= für allemal den
von ihm mit völkerrechtlicher Gültigkeit abgeschlossenen Verträgen
auch Wirksamkeit seinen Angehörigen gegenüber bei, verlangt aber
zum Abschlusse gewisser Staatsverträge die Mitwirkung der Volks-
vertretung. Dann ist jeder Zwiespalt zwischen Staatsrecht und
Völkerrecht unmöglich. Beide Systeme finden sich jedoch auch in
den mannigfachsten Mischungen vereinigt.
Der Fehler der älteren Literatur war es meist, daß sie das
eine oder das andere System für das dem Wesen der Sache allein
entsprechende erklärtes). Es war der Zweck der bisherigen Aus-
führungen darzutun, daß eine solche Auffassung haltlos ist, daß
sowohl das eine wie das andere System an und für sich möglich
erscheint. Vielmehr muß es lediglich aus dem positiven Rechte
jedes Staates entwickelt werden, welches System er befolgt, und
wir kommen somit auf die Bestimmungen des preußischen
Staatsrechts.
In Preußen vereinigen sich alle Rechte der Staatsgewalt in
dem Herrscher. Er ist demnach auch zum Abschlusse völkerrecht-
licher Verträge mit anderen Staaten berechtigt. Dies wird aus-
drücklich anerkannt in § 5II, 13 ALR.: „Die Verteidigung des
Staates gegen auswärtige Feinde anzuordnen, Kriege zu führen,
Frieden zu schließen, Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten
zu errichten, kommt allein dem Oberhaupte des Staates zu“. Die
— —––. —
———
8) Die Literatur erkennt zwar im allgemeinen an, daß das positive
Staatsrecht eines einzelnen Staates auch zum Abschlusse von Staats-
verträgen die Zustimmung der Volksvertretung erfordern kann. Sie geht
jedoch darin auseinander, daß eine Richtung behauptet, eine solche Vor-
schrift habe nur staatsrechtliche Wirkung, während die andere ihr auch
völkerrechtliche Bedeutung beimißt. Erstere Ansicht wird besonders vertreten
von Gneist bei E. Meier a. a. O.; S. 339 ff.; v. Rönne, Pr. StR.
Bd. 1, S. 693 ff.; Laband a.]a. O. G. Meyer, StR. S. 559 ff.;
lebtere, begründet von E. Meier a. a. O., ist angenommen von H.
Schulze, Pr. StR. Bd. 2, a. a. O. und Deutsches Staatsrecht Bd. 2,
E. 330; Zorn in der Ztschr. für die ges. Staatswissenschaft a. a. O.,
Pröbst a. a. O. S. 313, 320ff.; Gorius a. a. O, Prestele a. a. O.
S. 80 ff.; Leoni a. a. O. S. 504; Jellinek, Gesetz und Verordnung
343 f. Einen ausführlichen Status causace et controversiae s. bei
Jellinek, Gesetz und Verordnung S. 341ff.