324 Das Verwaltungsrecht. 8 182
sonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens
aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten. Wo eine
obrigkeitliche Anordnung alle Staatsangehörigen oder Klassen von
ihnen gleichmäßig betraf, war die Entschädigungspflicht nicht ge—
geben, wohl aber, wo einzelnen besondere Opfer auferlegt wurden.
Diese im ganzen Staate geltenden landrechtlichen Bestimmungen
kommen auch jetzt noch zur Anwendung, wo es sich um Vermögens-
opfer handelt, die nicht in der Abtretung des Grundeigentums
bestehen. Den besonderen Fall der Entziehung des Grundeigentums
im öffentlichen Interesse faßt das ALR. I, 11 § 4 auf als einen
vom Staate erzwungenen Kauf im Widerspruche mit der im 81
a. a. O. aufgestellten Begriffsbestimmung des Kaufes als eines aus
freier Willenseinigung der Vertragschließenden hervorgegangenen
Rechtsgeschäfts. Eine Ergänzung der landrechtlichen Vorschriften
erwies sich beim Aufkommen des Eisenbahnbaues notwendig und
erfolgte durch das Eisenbahngesetz vom 3. November 1838. Daneben
bestanden in den neu erworbenen Landesteilen des gemeinen und
französischen Rechts die mannigfachsten Rechtszustände, insbesondere
in der Rheinprovinz das für die neuere Entwicklung der Ent-
eignungsgesetzgebung grundlegende französische Gesetz vom 10. Mär
1810, forte).
Die preußische Verfassungsurkunde Art. 9 stellte von neuem
den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums auf, fügte dem
jedoch sogleich die notwendige Einschränkung hinzu, daß das Eigen-
tum aus Gründen des öffentlichen Wohles, und zwar nur aus
diesen gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vor-
läufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes
entzogen oder beschränkt werden dürfe. Das hier in Aussicht
gestellte Enteignungsgesetz, dessen Entwurf zuerst im Jahre 1864
veröffentlicht wurde, mußte jedoch anfangs infolge der kriegerischen
Ereignisse, dann wegen der Notwendigkeit, auch die neuen Pro—
vinzen zu berücksichtigen, immer von neuem verschoben werden
bis es endlich in der Sitzungsperiode des Landtages 1873/71
zustande kam und am 11. Juni 1874 vom Könige sanktioniert
wurde.
2) Vgl. darüber die 3. Anfl. von Nönne, Pr. St. Bd. la
röfl.
) 8S. 18714, S. 221. Einführung in Lauenburg durch Gesetz vom