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l 151 Die Staatsverträge. 31
doch ist es der einzige Weg, um zu einem wenigstens einigermaßen
befriedigenden Ergebnisse zu gelangen. Im allgemeinen hat sich
auch bisher die preußische Praxis in diesem Sinne entschieden,
wenn sie auch feste Grundsätze über die Auslegung nicht aufgestellt
hat. An praktischer Bedeutung hat jene Verfassungsbestimmung
durch Begründung des Reiches, dem der Abschluß der wichtigsten
völkerrechtlichen Verträge überlassen ist, gegenwärtig außerordent-
lich viel verloren.
Nachdem der völkerrechtliche Vertrag abgeschlossen ist, muß
er erfüllt, d. h. es müssen die zu seiner Ausführung erforderlichen
Staatsakte erlassen werden. Eine Rechtsnorm, durch welche der
Staat ein- für allemal anbefiehlt, daß die in einem verkündeten
Vertrage enthaltenen Bestimmungen von den Untertanen ohne
weiteres zu befolgen sind, ist in dem preußischen Staatsrechte
nicht nachweisbar. Der Befehl muß daher in jedem einzelnen
Falle besonders erlassen werden. Wie erwähnt, erfolgt aber nach
der preußischen Praxis die Erteilung des Befehls meist still-
schweigend, indem der Vertrag verkündet wirdi). Dadurch ist jedoch
nicht ausgeschlossen, daß aus irgendwelchem Grunde auch einmal
das vereinfachte Verfahren nicht eingeschlagen, und, statt den
Vertrag zu verkünden, eine besondere staatliche Anordnung zur
Erfüllung des Vertrags erlassen und verkündet wird.
Der Befehl an die Staatsangehörigen zur Befolgung der in
dem Vertrage enthaltenen Bestimmungen, mag dieser Befehl nun
ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden, kann nun unter
Umständen wiederum die Zustimmung der Volksvertretung er-
fordern. Diese ist dann notwendig, wenn die staatliche Anordnung
eine solche ist, die nur unter Mitwirkung des Landtages erlassen
werden darf. Für den Fall, daß der Staatsvertrag schon mit Zu-
stimmung des Landtages abgeschlossen ist, und der staatliche Befehl
an die Staatsangehörigen nur durch die Verkündigung des Ver-
trages getroffen wird, würde es aber ein übertriebener und über-
flüssiger Formalismus sein, auch für diesen Befehl nochmals die
Zustimmung der Volksvertretung zu erfordern. Es ist anzunehmen,
daß die Volksvertretung, indem sie in den Abschluß eines Staats-
15) Bedenken gegen diese Art der Verkündigung ohne die Eingangs-
und Schlußformel der Gesetze bei Laband a. a. O. Bd. 2, S. 164 ff.
Sollte der Mißbrauch nicht schon als Gewohnheitsrecht geheiligt sein?