Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

32 Das Verwaltungsrecht. 8151 
vertrages einwilligt, auch mit seiner Erfüllung sich cinverstanden 
erklärt. Dagegen ist die Notwendigkeit einer Mitwirkung des Land- 
tages für die Vollziehung des Vertrages in zwei anderen Fällen 
anzunehmen. Einmal ist sie erforderlich, wenn der Vertrag einseitig 
vom Könige ohne Mitwirkung der Volksvertretung abgeschlossen 
werden konnte, aber seine Ausführung in Maßregeln besteht, welche 
in das Gebiet der Gesetzgebung fallen. In der Praxis dürfte ein 
solches Verhältnis wohl nur höchst selten vorkommen. Wichtiger 
ist der andere Fall, daß ein Vertrag zwar mit Zustimmung der 
Volksvertretung abgeschlossen ist, die Regierung sich aber nicht 
darauf beschränkt, den Vertrag als Landesgesetz zu verkünden, 
sondern zu seiner Ausführung eine besondere, von dem genauen 
Wortlaute des Vertrages abweichende Anordnung erläßt. Diese 
letztere würde, wenn sie in das Gebiet der Gesetzgebung fällt, die 
Zustimmung der Volksvertretung bedürfen, da sie ihr noch nicht 
vorgelegen hat. 
Was endlich die Aufhebung der staatsrechtlichen Wirksamkeit 
völkerrechtlicher Verträge aubetrifft, so ist zu unterscheiden, ob 
zum Zwecke der Ausführung eine besondere staatliche Anordnung 
ergangen, oder lediglich der Vertrag als staatlicher Befehl verkündet 
ist. Im ersteren Falle greifen einfach die allgemeinen Grundsätze 
Platz. Die betreffende Anordnung bleibt so lange in Kraft, bis 
sie in rechtsgültiger Weise ausdrücklich oder durch ihr wider- 
sprechende Bestimmungen aufgehoben ist, ohne Rücksicht darauf, 
ob der Vertrag, dessen völkerrechtliche Erfüllung die Anordnung 
bildete, für den Staat noch verbindlich ist oder nicht. Denn die 
Anordnung steht mit dem Vertrage in keinem staatsrechtlichen 
Zusammenhange. Anders ist es dagegen, wenn der Vertrag selbst 
als staatlicher Befehl verkündet wurde. Hier ist als Wille des 
Gesetzgebers anzunehmen, daß der staatliche Befehl so lange Geltung 
haben sollte, als der Vertrag verbindlich ist. Wird also der Vertrag 
gekündigt, so fällt auch der staatliche Befehl zu seiner Befolgung 
sort, doch muß die Aufhebung des Vertrages den Staatsangehörigen 
amtlich verkündet sein. Ergehen bei fortdauernder Verbindlichkeit 
des Vertrages damit in Widerspruch stehende Gesetze und Verord- 
nungen, so ist zu vermuten, daß sie dem auf Grund des Vertrages 
erlassenen Befehle nicht widersprechen wollen. Selbstverständlich 
wird aber durch einen Staatsvertrag das souveräne staatliche Ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.