Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8187 Geschichtliche Entwicklung des Gewerberechtes. 381 
lichen Handwerkerzunft gegeben. Sie ist eine Vereinigung aller 
zum selbständigen Betriebe eines gewissen Gewerbezweiges be— 
rechtigten Personen zum Zwecke der Beaufsichtigung der gewerb- 
lichen Arbeiter und ihrer Erzeugnisse nötigenfalls unter Anwendung 
obrigkeitlicher Zwangsmittel. Die Rechtsverhältnisse der einzelnen 
Zünfte beruhen auf den unter den Zunftmitgliedern vereinbarten 
und von der Obrigkeit bestätigten Satzungen, welche namentlich 
den Umfang der der Zunft verliehenen obrigkeitlichen Gewalt, 
insbesondere der Zunftgerichtsbarkeit, festsetzen. Räumlich umfaßt 
eine Zunft die Gewerbetreibenden des betreffenden Gewerbezweiges 
einer Stadt. Die Ausschließung der meisten Gewerbebetriebe von 
dem flachen Lande ergab sich schon daraus, daß hier eine Aussicht 
seitens der Zunft unmöglich gewesen wäre, man aber die den 
mannigfachsten Beschränkungen unterworfenen Zunftgenossen gegen 
leden Wettbewerb von außerhalb der Zunft stehenden und deshalb 
diesen Beschränkungen nicht unterworfenen Personen schützen mußte. 
Die soziale Bedeutung der Zunft in ihrer Blütezeit beruht 
in einem Schutze der erwerbenden Arbeit gegen die im Mittelalter 
nur schwach vertretene, aber deshalb, wo sic vorhanden ist, um so 
surchtbarere Macht des Kapitalsse). Sie macht jeden Ansatz eines 
kapitalistischen Großbetriebes mit seinen sozialen Abhängigkeits- 
verhältnissen unmöglich dadurch, daß jeder Gewerbebetrieb außer- 
halb der Zunft untersagt, und der Umfang und die Art der Waren- 
erzeugung der Zunftgenossen für alle gleichmäßig geregelt ist. 
amit ist eine gleichmäßige Sicherung des wirtschaftlichen Be- 
standes aller Zunftgenossen oder vielmehr aller Gewerbetreibenden 
erzielt. Aber auch innerhalb ihrer Berufsklasse läßt die Zunft 
einen dauernden Gegensatz zwischen selbständigen und unselb- 
ständigen Gewerbetreibenden nicht aufkommen. Indem sie das 
Lehrlings= und Gesellenwesen regelt, stellt sie jedem, der den vor- 
beschriebenen Ausbildungsgang durchgemacht hat, die Aufnahme 
l selbständiges Glied der Genossenschaft in Aussicht. Die Stellung 
* unselbständigen Arbeiters als Lehrling und Geselle ist daher 
eine dauernde Lebensstellung, sondern nur ein Uebergang zur 
Selbständigkeit. Jeder selbständige Gewerbetreibende muß Lehrling 
und Geselle in seinem Gewerbe gewesen sein, aber jedem Gesellen, 
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2) In dieser Beziehung ist das Zunftwesen in Parallele zu stellen 
mit dem Zinsenverbote des kanonischen Rechtes.
	        
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