Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8 152 Zuständigkeit des Reiches u. d. Einzelstaaten i. Kriegswesen. 35 
da hier der Träger der Befugnisse des Reiches und des Einzelstaates 
eine und dieselbe Person, der deutsche Kaiser und König von 
Preußen, ist. Gleichwohl ist auch in diesem Falle die rechtliche 
Sonderung zwischen beiden festzuhalten und erscheint für die Ent— 
scheidung gewisser Fragen von maßgebender Bedeutung, wenn auch 
tatsächlich die Ausübung der Reichs= und Staatsrechte zusammen— 
fließt. Von der Sonderstellung der drei Königreiche kann in den 
folgenden Ausführungen abgesehen werden, da es sich nur um 
das preußische Staatsrecht und um die Verhältnisse des Reiches 
zum preußischen Staate handelt. Die Militärkonventionen der 
übrigen deutschen Staaten kommen dagegen insofern in Betracht, 
als durch sie dem preußischen Staate die Ausübung von Hoheits- 
rechten anderer Staaten übertragen, und die Zuständigkeit seiner 
Militärverwaltung auf das ganze Reichsgebiet mit Ausnahme der 
drei Königreiche ausgedehnt wird. 
Die Reichsverfassung nimmt die Militärgesetzgebung aus- 
schließlich für das Reich in Anspruch. Sie tut dies allerdings- 
nicht ausdrücklich, sondern nur mittelbar dadurch, daß sie in Art. 61 
bestimmt, nach Verkündigung der Verfassung sei in dem ganzen 
Reiche die gesamte preußische Militärgesetzgebung ungesäumt ein- 
zuführen, sowohl die Gesetze selbst wie die zu ihrer Ausführung, 
Erläuterung und Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen 
und Reskripte. Nur die Militärkirchenordnung bleibt ausgeschlossen. 
Indem die Reichsverfassung die Einführung preußischer Gesetze 
im ganzen Reichsgebiete anordnet, erklärt sie diese zu Reichs- 
VLesetzens). Denn es ist unmöglich, daß preußische Landesgesetze 
als solche im ganzen Reichsgebiete verbindlich sind. Ein Gesetz, 
welches auf Grund einer Bestimmung der Reichsverfassung im 
ganzen Reichsgebiete gelten soll, ist daher selbst Reichsgesetz und 
unterliegt einer Abänderung nur im Wege der Reichsgesetzgebung. 
Da aber die gesamte preußische Gesetzgebung im ganzen Reiche 
einzuführen war, so bleibt für eine Landesgesetzgebung überhaupt 
in dieser Beziehung kein Raum mehr. Dieser Auffassung steht 
auch nicht die Bestimmung in dem Bündnisvertrage mit Bayern 
bom 23. November 1870 unter III § 5 entgegen, wo die fort- 
— — 
G 8) Damit ist über den Charakter der Bestimmungen, die nicht in das 
oebiet der Gesetzgebung fallen, Ausführungsverordnungen und Armee- 
krordnungen, noch nichts entschieden. Vgl. darüber 8 153. 
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