Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8153 Die Kontingentsherrlichkeit. 39 
hört, wenn es an eine Person gelangt, deren Recht es beschränkt, 
so scheint in Preußen eine Kontingentsherrlichkeit überhaupt nicht, 
sondern nur die durch landesherrliche Befugnisse nicht beeinträchtigte 
kaiserliche Machtvollkommenheit zu bestehen. Es scheint aber nur 
so, für die juristische Betrachtungsweise wird das Bild ein anderes. 
Tatsächlich sind der dentsche Kaiser und der König von Preußen 
stets eine und dieselbe physische Person, und diese Tatsache ist eine 
rechtliche Notwendigkeit. Gleichwohl sind der deutsche Kaiser und 
der König von Preußen nicht dieselbe staatsrechtliche Persönlichkeit, 
sonst müßten das Deutsche Reich und das Königreich Preußen 
dasselbe sein. Es kann also sehr wohl die eine staatsrechtliche Per— 
sönlichkeit die Rechte der anderen beschränken. Die besondere Kon— 
tingentsherrlichkeit als Inbegriff militärischer Befugnisse des 
Landesherrn besteht daher nicht nur für die deutschen Mittel- und 
Kleinstaaten, sondern auch für den preußischen Staat. Ihre Er— 
örterung, an welche die schwerwiegendsten Streitfragen über die 
rechtliche Natur der deutschen Heeresverfassung und ihrer Bestand— 
teile anknüpfen, muß jedoch im folgenden einer besonderen Be— 
handlung vorbehalten bleiben. 
§ 153. Die Koutingentsherrlichkeit. 
Die Reichsverfassung gibt nirgends eine Begriffsbestimmung 
darüber, was unter der Kontingentsherrlichkeit zu verstehen ist. 
Ihr rechtliches Wesen ist daher aus den einzelnen Bestimmungen 
der Reichsverfassung zu entwickeln. Die Abfassung des das Reichs- 
kriegswesen behandelnden Abschnittes der Reichsverfassung ist aber 
vielfach unklar. Es erklärt sich dies zum Teil daraus, daß bei 
der Abfassung den militärischen Sachverständigen ein großer Spiel- 
raum zugestanden werden mußte, und dadurch die juristisch richtige 
Fassung litt, zum Teil aus der Notwendigkeit, miteinander wider- 
streitende Interessen der Gesamtheit und der Einzelstaaten durch 
eine unbestimmte Fassung des Gesetzes zu vereinigen und die 
veitere Entwicklung der Verwaltungspraxis zu überlassen. Ins- 
besondere besteht eine Streitfrage darüber, ob der in der Reichs- 
berfassung aufgestellte Grundsatz der Einheitlichkeit des Heeres nur 
im militärisch-technischen oder auch im staatsrechtlichen Sinne auf- 
zufassen ist. Nach der einen Ansichti) gibt es kein Heer des Reiches 
—— — 
1) Laband a. a. O., Seydel a. a. O. S. 1395, Burhenne a.a. O.
	        
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