Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

44 Das Verwaltungsrecht. 8 153 
die Treue erscheint lediglich als eine moralische Verbindlichkeit. 
Der Gehorsam wird in dem Fahneneide allein dem Kaiser gelobt 
und damit anerkannt, daß die Landesherren ein Recht des selb— 
ständigen Befehls und eine Dienstherrlichkeit nicht haben. Wenn 
daneben noch den Landesherren Treue versprochen wird, so braucht 
man darin nicht eine Zusicherung der allgemeinen Untertanentreue 
zu sehens). Denn es wäre wirklich nicht ersichtlich, weshalb diese 
gerade beim Eintritte in das Landheer gelobt werden sollte. Außer— 
dem wird ja gerade treuer Dienst als Soldat und nicht die all— 
gemeine Untertanentreue versprochen. Diese Fassung des Fahnen— 
eides ist an die frühere Form angeschlossen, um in möglichst 
schonender Weise den bisherigen Fahneneid für den Landesherren 
durch den für den Kaiser zu ersetzen. Deshalb wird dem Kaiser 
das praktisch allein Wichtige, der Gehorsam, dem Landesherren 
eine moralische Verbindlichkeit, die Treue, gelobt. Es würde ver— 
gebliche Mühe sein zu untersuchen, was denn eigentlich der Inhalt 
des Gelöbnisses für den Landesherren ist, worin der treue Dienst 
als Soldat für den Landesherren besteht. Es handelt sich hier 
eben um eine rechtlich vollkommen bedeutungslose Förmlichkeit, 
deren Fortbestand begreiflich wird, wenn man erwägt, wie hohen 
Wert bei Beratung der Reichsverfassung und der Militärkonven— 
tionen wenigstens die größeren deutschen Landesherren auf die 
möglichst ungeschmälerte Erhaltung ihrer Sonveränetätsrechte oder 
doch wenigstens ihrer äußeren Form legten. 
Es ergibt sich somit, daß der Dienst des Landheeres ebenso 
wie der der Kriegsmarine allein dem Reiche geleistet wird, dieses 
oder vielmehr der Kaiser als Träger der militärischen Befugnisse 
des Reiches der Dienstherr der gesamten Landmacht des Reiches 
ist. Die Einheitlichkeit des deutschen Heeres ist also nicht nur eine 
militärisch-technische, sondern eine staatsrechtliche. Damit ist zwar 
negativ festgestellt, daß die Kontingentsherrlichkeit der deutschen 
Einzelstaaten nicht die militärische Dienstherrlichkeit ist, aber die 
Frage nach ihrem positiven Inhalte ist noch nicht beantwortet. 
Es ist daher auf die einzelnen, die Kontingentsherrlichkeit aus- 
machenden landesherrlichen Befugnisse näher einzugehen. 
5) S. H. Schulze, Deutsches Staatsrecht Bd. 2, S. 267;: Brock- 
haus a. a. O. S. 119eff.
	        
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