Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8217. Das Staatsschuldenwesen. 627 
vom 17. Januar 1820 an, daß die Aufnahme von Anleihen für 
die Staatskasse wie die Uebernahme von Garantien zu Lasten 
des Staates nur auf Grund eines Gesetzes stattfinde. 
Außerdem bestehen hinsichtlich der Aufnahme von Anleihen 
zwei reichsgesetzliche Beschränkungen. Einmal darf die Aufnahme 
einer unverzinslichen Anleihe in der Form der Ausgabe von 
Papiergeld nicht durch die Einzelstaaten, sondern nur durch das 
Reich erfolgen. Den Einzelstaaten kann jedoch die Ausgabe von 
Papiergeld durch ein Reichsgesetz gestattet werdens). Ebenso darf 
ie Aufnahme einer Anleihe, bei der der Zins ganz oder teil- 
weise als Gewinn verlost wird, einer sogenannten Prämienanleihe 
mnur auf Grund eines Reichsgesetzes erfolgen"4). Im übrigen ist 
das Recht der öffentlichen Anleihen, mögen sie auf Eintragung 
in einem Staatsschuldbuche oder in Inhaberpapieren bestehen, 
nach Art. 97, 98 Ec. zum BE#. durch dieses unberührt geblieben. 
Die Aufnahme der Anleihen oder die Uebernahme der 
Garantien erfolgt auf Grund eines Gesetzes. Das Gesetz begründet 
nicht die Schuldverbindlichkeit des Staates. Vielmehr wird durch 
das Gesetz nur die zuständige Behörde vom Könige unter Zu- 
stimmung des Landtages ermächtigt, die Verbindlichkeit für den 
Staat einzugehen. Das Anleihe= oder Garantiegesetz hat also zum 
Inhalte lediglich eine Ermächtigung der staatlichen Finanzbehörde, 
eine Vollmacht, den Staat durch ihre Erklärungen zu verpflichten. 
Jene Vollmacht soll der König nicht ohne Zustimmung des Land- 
tages erteilen. Dies allein ist die Bedeutung des Art. 103 der 
Verfassungsurkunde. Der Umfang der Vollmacht kann wie der 
leder privatrechtlichen Vollmacht weiter oder enger umschrieben 
sein. Rechtshandlungen der staatlichen Behörden, welche der in dem 
Anleihe= oder Garantiegesetze enthaltenen Vollmacht zuwiderlaufen, 
würden also eine Verpflichtung für den Staat nicht begründen. 
Unter der Voraussetzung, daß die Rechtshandlungen der staat- 
lichen Behörden dem Anleihe- oder Garantiegesetze entsprechen, 
stellen sie eine Verpflichtung für den Staat her- 
Die im Anleihe- oder Garantiegesetze enthaltene Vollmacht 
wird in Gesetzesform erteilt. Hieraus ergibt sich eine wichtige 
— 
8) Ges. vom 30. April 1871 — RGBl. 1874, S. 40 —. 
4) Ges. vom 8. Juni 1871 — RGl. 1871, S. 210 —. 
  
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