634 Das Verwaltungsrecht. 8 216
Gebiete die Grundlage des Staatskirchenrechts in den letzten Jahr—
hunderten vor der Reformation. Die Macht der Kirche gegenüber
dem Staate ist schrankenlos, soweit sie sich nicht selbst beschränkt.
Die Kirche zieht daher die Grenze ihrer Wirksamkeit gegenüber
dem Staate und bestimmt damit den Kreis freier Tätigkeit der
Staatsgewalt, sie nimmt auf ihrem Gebiete die Hilfe des welt—
lichen Armes für sich in Anspruch und nötigt den Staat zur
Ausführung ihrer Gebote. Unter diesen Umständen kann von einem
eigenen Rechte des Landesherren gegenüber der Kirche nicht die
Rede sein. Alle Befugnisse, die dem Landesherren gegenüber
der Kirche und in Bezug auf sie zustehen, beruhen auf kirchlicher
Verleihung. Jedes derartige landesherrliche Recht ist von der
Kirche abgeleitet.
In Brandenburg gewährte die Advokatie dem Landesherren
das Recht und die Pflicht des Schutzes der Kirche, namentlich der
Darleihung des weltlichen Armes für die kirchlichen Anordnungen,
wofür er als Gegenleistung den kirchlichen Zehnt in Anspruch nahm.
Das bei der Kolonisation allgemein begründete Patronat, welches
allerdings später mit der oberen Gerichtsbarkeit an Gutsherren
und Städte veräußert wurde, gab dem Landesherren Einfluß
auf die Besetzung aller Pfarreien. Außerdem war ihm für die wich-
tigsten anderen Pfründen mit Ausnahme der Bistümer ein Prä-
sentationsrecht eingeräumt. Seit Kurfürst Friedrich II. bestand
auch ein vom Papste verliehenes landesherrliches Nominations
recht bei Erledigung eines brandenburgischen Bistums. Mit Recht
hat man daher behauptet: „Der Einfluß der Markgrafen auf
die Regierung der Kirche in ihrem Lande war von Anfang an
groß, er wuchs durch das ganze Mittelalter hindurch, und am
Vorabende der Reformation gab es wohl kaum einen anderen
weltlichen Fürsten, dem in der Kirche seines Landes eine so
große rechtmäßige Gewalt zugestanden hätte, wie den Markgrafen
von Brandenburg“). Aber diese Rechtsstellung des Landesherren
ist wesentlich verschieden von einer Kirchenhoheit des Staates
über die Kirche, sie ist dem Landesherren von der Kirche anger
wiesen und beruht auf kirchlichen Gesetzen und päpstlichen Privi—
legien. Ebenso wie diese trug die Landsässigkeit der branden=
2) v. Wühler a. a. O. S. 18.