8218 Geschichtl. Entwicklung des Verhältnisses von Staat u. Kirche. 635
burgischen Bischöfe dazu bei, den politischen Einfluß des Landes-
herren auf die Kirche zu sichern. Aber eine wirkliche Kirchen-
hoheit besaß er nichts).
Nur in einem Punkte zeigt sich der Ansatz zur Geltend-
machung der unter den ersten Hohenzollern neu erwachten Staats-
gewalt auch gegenüber der Kirche. Durch eine landesherrliche
Verordnung von 1445 und durch eine noch weiter greifende von
1460 wird die über alles Maß hinausgehende geistliche Gerichts-
barkeit, welche den Staat völlig aus seiner letzten Stellung zu
verdrängen suchte, zurückgewiesen und mit voller Entschiedenheit
der Grundsatz ausgesprochen, daß die geistlichen Gerichte sich nicht
in weltliche Rechtshändel einmischen sollen. Vielleicht hätte sich
bei ruhiger Fortentwicklung aus diesen Ansätzen, gestützt auf die
Machtstellung des Landesherren innerhalb der Kirche, eine wirk-
liche Kirchenhoheit des Staates herausgebildet, die, ohne die Selb-
ständigkeit der Kirche zu vernichten, doch die übergeordnete Macht
des Staates auch gegenüber der Kirche zur Anerkennung brachte.
Diese Entwicklung ist aber durchbrochen worden durch die Refor-
mation, welche das Verhältnis von Staat und Kirche auf ganz
anderen Grundlagen aufbaut.
Die deutsche Reformation ist ausgegangen von der Reform
der kirchlichen Lehre, welche von den menschlichen Zusätzen ge-
reinigt und auf das reine Evangelium zurückgeführt werden sollte.
Eine Umgestaltung der Kirchenverfassung war dadurch an sich
nicht geboten. Im Gegenteile gingen die Reformatoren von der
Ansicht aus, daß die Bischöfe und Geistlichen die reine Lehre
annehmen und damit die ganze Kirchenverfassung erhalten würden.
Da diese Voraussetzung im allgemeinen nicht zutraf, im Gegen-
teile die bischöfliche Gewalt über die protestantischen Gebiete
durch den Augsburger Religionsfrieden 1555 reichsgesetzlich vor-
läufig außer Kraft gesetzt werden mußte, war eine neue kirchliche
Organisation zu schaffen, und diese Aufgabe fiel naturgemäß den
Landesherren zu. Die Kirchengewalt wurde daher sehr bald als
ein eigenes Recht der Landesherren betrachtet, welches ihnen als
—..
3) Die Auffassung des Geschichtsschreibers, der die tatsächlich be-
stehenden Verhältnisse darstellt, wird in diesem Punkte immer eine andere
lein als die des Juristen, der vor allem nach dem Rechtsgrunde fragt.
Vol. z. B. die Darstellung bei M. Lehmann a. a. O. Bd. 1, S. 1 0.