Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

636 Das Verwaltungsrecht. 3218 
ein Ausfluß ihrer Landeshoheit von selbst zustehe. Für Branden= 
burg ist diese Auffassung besonders gesetzlich ausgesprochen, sir 
stand aber auch ohnedies in der Verwaltungspraxis der deutschen 
Gebiete fest. Die neumärkische Kirchenordnung von 1537 und die 
kurmärkische von 1540 begründeten für ein Menschenalter die 
absolute Herrschaft des Landesherren über die Kirche. 
Das kirchenstaatsrechtliche Ergebnis der deutschen Refor- 
mation ist daher für die protestantischen Gebiete die Aufhebung 
des rechtlichen Sonderbestandes der Kirche und ihre Einverleibung 
in den Staat. Die Kirche ist eine Staatsanstalt wie Rechtspflege 
und Polizei, die Kirchengewalt ist aufgegangen in der Staats- 
gewalt, alle kirchlichen Gesetze sind Staatsgesetze, alle kirchlichen 
Organe Staatsorgane, alle kirchliche Verwaltung Staatsverwal- 
tung. Für eine Kirchenhoheit des Staates ist daher gar kein Platz, 
da diese den rechtlichen Bestand der Kirche voraussetzt, ein solcher 
aber nicht mehr vorhanden war. Diese vollständige Aufhebung 
der kirchlichen Selbständigkeit beschränkt sich nicht auf die Kirchen- 
verfassung und Kirchenverwaltung, sie ergreift auch die kirchliche 
Lehre. Die Reformation hatte jede Instanz beseitigt, welche über 
das Dogma zu entscheiden hatte. Der Grundsatz der freien For- 
schung in der Schrift, um aus ihr zu erkennen, was reine Lehre 
sei, genügte nicht, da hiermit der schrankenloseste, jede kirchliche 
Gemeinschaft unmöglich machende Subjektivismus herbeigeführt 
wäre. So mußte denn der Landesherr bestimmen, was in seinem 
Lande als reines Evangelium gelehrt werden solle. Iusbesondere 
ist in Brandenburg diese Gesetzgebung in Glaubenssachen durch 
Joachim II. wie durch Johann Georg von den entgegengesetztesten 
dogmatischen Gesichtspunkten aus geübt worden. 
Erst ganz allmählich in einzelnen Stadien ist die Kirche aus 
dieser tiefsten Erniedrigung, in die sie die Reformation versetzt 
hatte, wieder zur Selbständigkeit gelangt. 
Diese Entwicklung wird eröffnet mit dem 1613 erfolgten 
Uebertritte Johann Sigismunds zum reformierten Bekenntnisse- 
Jener Schritt selbst geschah durchaus im Rahmen der bisherigen 
Kirchenpolitik. Der Kurfürst ging von der Annahme aus, daß er 
bloß das neue Dogma zu verkünden brauche, und das Kand ihm 
solgen werde. Er hatte sich aber getäuscht. Seit der Konsistorial= 
ordnung von 1573 war das Luthertum aufs engste verknüpft mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.