Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

648 Das Verwaltungsrecht. 8219 
von dem einzelnen die Angabe des Religionsbekenntnisses nur 
fordern kann, wenn die Rechtsgültigkeit gewisser bürgerlichen Hand— 
lungen davon abhängt, und mit dem Geständnisse abweichender 
Ansichten nur die aus dem Gesetze sich ergebenden Rechtsfolgen 
in Bezug auf die bezeichneten Handlungen verbunden sind. 
Das Reichsrecht hat ferner nur die Gleichberechtigung aller 
Untertanen vor dem Staate ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis 
durchgeführt. Dagegen sind die Verhältnisse der Religionsgesell- 
schaften zum Staate und zu ihren Mitgliedern, sofern überhaupt 
ein staatliches Eingreifen erforderlich erscheint, durchaus der landes- 
gesetzlichen Regelung überlassen worden. 
Die Vereinigung mehrerer Personen zu Religionsgesellschaften 
und zur gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung 
ist durch Art. 12 der Verfassungsurkunde gewährleistet. Grund- 
sätzlich unterliegen solche Vereinigungen lediglich den allgemeinen 
Vereinsgesetzen, auf die der betreffende Verfassungsartikel ausdrück- 
lich hinweiste). Hieraus ergibt sich zweierlei: Einmal bedarf die 
Bildung von Religionsgesellschaften keiner staatlichen Genehmigung 
mehr, während noch § 10 II, 11 ALR. und das Patent vom 
30. März 1847 diese für die Verbindung mehrerer Einwohner 
zu Religionsgemeinschaften erforderten. Außerdem ist aber die 
in §§ 13—16 AR. a. a. O. den Religionsgesellschaften auf- 
erlegte Verpflichtung, ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gott- 
heit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und 
sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen, so- 
wie das Recht des Staates, die Religionsgrundsätze darauf zu 
prüfen und gegebenenfalls ihre Verbreitung zu untersagen, fort- 
gesallen. Was in den Vereinigungen gelehrt wird, unterliegt nur 
den allgemeinen Strafgesetzen. So würden z. B. atheistische Ver- 
einigungen, die nach dem ALR. unbedingt verboten waren, gegen- 
wärtig nur nach Maßgabe des Strafgesetzbuches, d. h. wenn sie 
durch Gotteslästerung oder Schmähung religiöser Einrichtungen 
die Gefühle anderer verletzen, verfolgt werden können. 
Nach dem Sprachgebrauche des ALR. II, 11 §§ 11, 12 zer- 
fallen die Religionsgesellschaften in Kirchengesellschaften, d. h. 
  
6) Uebereinstimmend Entsch, des O##. vom 3. Dezember 1887, Bd. 16, 
S. 387.
	        
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