Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8219 Der Staat und die Religionsgesellschaften überhaupt. 6.) 1 
Umfange, auch den bloß mit Korporationsrechten ausgestatteten 
Religionsgesellschaften zu, das Mehr oder Minder an Rechten kann 
aber als rein relativ nie ein juristisches Merkmal sein. Eine 
dritte Ansicht endlich unternimmt allerdings eine streng juristische 
Charakterisierung. Sie führt aus, die nicht öffentlich aufge- 
nommenen Religionsgesellschaften seien als Privatvereine nach 
den Regeln des Privatrechts, die öffentlich ausgenommenen nach 
den Regeln des öffentlichen Rechts zu beurteilen. Diese öffentlich- 
rechtliche Regelung bestehe darin, daß der Staat die von der 
Kirche über ihre Glieder beanspruchte Macht als eine innerhalb der 
gesetzlichen Schranken selbständige obrigkeitliche Gewalt anerkenne). 
Dieser Auffassung steht aber entgegen, daß in Beziehung zum 
Staate die Verhältnisse aller Vereine durch das öffentliche Recht, 
nämlich das Vereinsrecht, geregelt werden, und daß jede Religions- 
gesellschaft mit staatlicher Anerkennung eine obrigkeitliche Ge- 
walt über ihre Mitglieder beanspruchtis). Vielmehr ist das Wesen 
der öffentlich aufgenommenen Religionsgesellschaften nur geschicht- 
lich vom Standpunkte des Territorialsystems zu verstehen. Es 
sind die, welche nach ihm unter Staatsverwaltung stehen. Hieraus 
ergeben sich ganz naturgemäß ihre Privilegien, insbesondere die 
Gleichstellung mit dem Staate in Bezug auf das Privatrecht, 
die Charakterisierung ihrer Religionsdiener als staatlicher Beamter. 
Dieses ursprüngliche juristische Wesen ist zerstört, dagegen sind 
dessen verschiedene Folgen, d. h. die sogenannten Privilegien, 
im heutigen Rechte stehen geblieben. 
Somit bestehen drei Arten von Religionsgesellschaften, die 
öffentlich aufgenommenen, die bloß mit Korporationsrechten aus- 
gestatteten und die Vereinigungen ohne Korporationsrechte. Alle 
nicht öffentlich ausgenommenen, also die beiden letzten Klassen, 
faßt das Av#R. a. a. O. 8 20 zusammen unter der Bezeichnung 
der geduldeten Religionsgesellschaften. Der Unterschied der 
12) Hinschius a. a. O. S. 256. 
13) Dies erkennt Hinschius a. a. O. S. 364 ff. wenigstens zum 
Teil selbst an, indem er nicht nur die beiden christlichen Kirchen, sondern 
auch die Synagogengemeinden und einzelne christliche Sekten, weil sie eine 
obrigkeitliche Gewalt über ihre Mitglieder haben, für Anstalten des öffent- 
lichen Rechts erklärt. Allein es ergibt sich u. a. aus dem Zuchtmittelgesetze 
vom 13. Mai 1873, daß allen Religionsgesellschaften ohne Ausnahme vom 
Staate diese obrigkeitliche Gewalt zugestanden wird. 
 
	        
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