Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

652 Das Verwaltungsrecht. 8219 
Religionsgesellschaften mit Korporationsrechten und ohne solche 
liegt auf dem Gebiete des Privatrechts, der zwischen öffentlich 
aufgenommenen und sonstigen Religionsgesellschaften ist überhaupt 
kein juristischer, sondern ein rechtsgeschichtlicher. Die Einteilung 
liegt also vollständig außerhalb des Gebiets des Staatskirchen- 
rechts, es werden von ihm nur vielfach bei Regelung des Ver- 
hältnisses von Staat und Kirche die zu einer der gedachten Klassen 
gehörigen Religionsgesellschaften zusammengefaßt. Oeffentlich auf- 
genommen sind die evangelische und die katholische Kirche, letztere 
einschließlich der Altkatholiken, Korporationsrechte besitzen die von 
der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Altlutheraner 
der alten Provinzen, die Herrenhuter, Mennoniten, Baptisten, 
Niederländischen Reformierten (Kohlbrüggianer) und die vor- 
schriftsmäßig gebildeten Synagogengemeinden. 
III. Für alle Religionsgemeinschaften übereinstimmend hatte, 
soweit die landrechtlichen Gebietsteile in Betracht kommen, von 
Staats wegen eine eingehende Regelung der Rechtsverhältnisse 
stattgefunden durch das ALR. II, 11. Sie beschränkte sich, dem 
Standpunkte des Territorialsystems entsprechend, nicht auf das 
Verhältnis von Staat und Kirche, sondern ergriff alle äußeren 
Rechtsverhältnisse der Kirche, so daß bloß das innere kirchliche 
Leben davon unberührt blieb. Soweit dabei ein Parochialverband 
und eine umfassende Organisation vorausgesetzt war, konnten sich 
die landrechtlichen Vorschriften natürlich nur auf die Religions- 
gemeinschaften beziehen, bei denen diese Voraussetzungen zutrafen, 
also auf die katholische und auf die protestantischen Kirchen. Die 
übrigen Religionsgemeinschaften wurden nur durch die allgemeinen 
Grundsätze über Glaubens= und Religionsfreiheit berührt. 
Indem nun Art. 15, 16 und 18 der Verfassungsurkunde 
jeder Religionsgemeinschaft, insbesondere der cvangelischen und 
der katholischen Kirche die selbständige Ordnung und Verwaltung 
ihrer Angelegenheiten einräumten, wurden die entgegenstehenden 
landrechtlichen Vorschriften zweifellos aufgehoben. Diese aufheben- 
den Rechtsnormen sind aber selbst wieder beseitigt worden durch 
die Verfassungsnovelle vom 18. Juni 1875. Es fragt sich daher, 
ob durch Beseitigung der Art. 15, 16 und 18 der Verfassungs- 
urkunde das frühere, im A#R. enthaltene Recht wiederhergestellt
	        
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