Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

660 Das Verwaltungsrecht. 219 
durch die bereits erwähnten Revisionsnovellen von 1886 und 
1887. Kirchliche Disziplinarstrafen, welche gegen die Freiheit oder 
gegen das Vermögen gerichtet sind, dürfen nur nach Anhörung des 
Beschuldigten verhängt werden. Der Entfernung aus dem Amte, 
wie Entlassung, Versetzung, Suspension, unfreiwilligen Emeritic- 
rung muß ein geordnetes prozessualisches Verfahren vorausgehen. 
Die Entscheidung ist in allen diesen Fällen schriftlich unter An- 
gabe der Gründe zu erlassen. Die körperliche Züchtigung ist als 
kirchliche Disziplinarstrafe oder als Zuchtmittel unstatthaft. Geld- 
strasen dürfen den Betrag von 30 Thlrn. oder, wenn das ein- 
monatliche Amtseinkommen höher ist, den Betrag des letzteren 
nicht übersteigen. Die Freiheitsentziehung besteht nur in der 
Verweisung in eine deutsche Demeritenanstalt auf höchstens drei 
Monate und darf wider den Willen des Betroffenen weder be- 
gonnen noch fortgesetzt werden. Die Demeritenanstalten sind der 
staatlichen Aufsicht unterworfen. Dem Kultusminister müssen 
Statuten und Hausordnung eingereicht und die Namen der Leiter 
mitgeteilt werden. Am Schlusse eines jeden Jahres erhält der 
Minister ein Verzeichnis der Demeriten, welches deren Namen, 
die gegen sie erkannten Strafen und die Zeit der Aufnahme und 
Entlassung angibt. Die Befolgung dieser Vorschriften und der 
auf Grund ihrer erlassenen Verfügungen kann der Oberpräsideut 
durch Geldstrafen bis zu 1000 Thlrn. erzwingen, auch kann im 
Falle des Zuwiderhandelns die Demeritenanstalt geschlossen werden- 
Eine Vollstreckung kirchlicher Disziplinarentscheidungen im Wegée 
der Staatsverwaltung findet nur statt, wenn sic vom Ober- 
präsidenten nach Prüfung der Sache für vollstreckbar erklärt sind. 
Die nach dem Gesetze vom 12. Mai 1873 gegen die 
Disziplinarentscheidungen zulässige Berufung an den Staat, über 
welche ein besonderer Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten 
zu erkennen hatte, ist durch die Revisionsnovelle von 1886 be- 
seitigt, und der kirchliche Gerichtshof des Staates aufgehoben 
worden. 
Die fernerhin nach dem Gesetze vom 12. Mai 1873 statthafte 
Amtsentlassung von Kirchendienern durch den Staat wegem 
schwerer Vergehungen gegen die Staatsgesetze, über welche eben- 
falls der kgl. Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten zu ent- 
scheiden hatte, ist zwar noch geltendes Recht. Es kann aber nicht
	        
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