Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8220 Der Staat und die evangelische Kirche. 663 
führte seit 1817 nicht mehr der Minister des Innern, sondern 
der Minister für geistliche, Unterrichts= und Medizinalangelegen- 
heiten. Da in den einzelnen Pfarreien und Superintendenturen 
naturgemäß stets die selbständige Organisation der evangelischen 
Kirche fortbestanden hatte, so besaß sie somit bereits vor Erlaß 
der Verfassungsurkunde eine von den übrigen staatlichen Ver- 
waltungszweigen durchaus unabhängige Organisation. Nur das 
Kultusministerium hatte noch andere als evangelische Kirchen- 
angelegenheiten zu verwalten. 
Nachdem die Verfassungsurkunde der bisher unter Staats- 
verwaltung stehenden evangelischen Kirche ebenso wie allen anderen 
Religionsgemeinschaften Freiheit und Selbständigkeit gewährt hatte, 
galt es nunmehr für die evangelische Kirche eine neue d. h. eine 
kirchliche Ordrganisation zu schaffen. Die Notwendigkeit der Be- 
seitigung des landesherrlichen Kirchenregiments, welches angeb- 
lich im Widerspruche stand mit dem konstitutionellen Grundsatze, 
daß der Monarch nur unter Verantwortlichkeit seiner Minister 
handeln dürfe, wurde bei Erlaß der Verfassungsurkunde kaum 
in Zweifel gezogen. Um wenigstens die inneren kirchlichen An- 
gelegenheiten dem konstitutionellen Minister zu entziehen, wurde 
durch den kgl. Erlaß vom 26. Januar 1849e) vorläufig für die 
Kirchenverwaltung eine besondere kollegiale „Abteilung für die 
inneren evangelischen Kirchensachen“ gebildet. Diese Abteilung 
erhielt durch den Allerhöchsten Erlaß vom 29. Juni 18507) die 
Bezeichnung „Evangelischer Oberkirchenrat“, indem gleichzeitig die 
Befugnisse durch ein beigefügtes Ressortreglement näher bestimmt 
wurden. Die Begründung erklärte zum ersten Male das Fort- 
bestehen des landesherrlichen Kirchenregiments als mit der Ver- 
fassungsurkunde nicht unvereinbar, das Kirchenregiment sei nur 
auf die Idee der Reformation zurückzuführen, wonach es dem 
Landesherren als vornehmstem Gliede der Kirche zustehe, dagegen 
von allen aus dem Territorialprinzipe hervorgegangenen Bei- 
mischungen, insbesondere von der Mitwirkung der Minister zu 
befreien. Als somit notwendig gewordene kirchliche oberste Be- 
hörde wurde der Evangelische Oberkirchenrat eingesetzt. Weitere 
Maßregeln zur Durchführung der verfassungsmäßigen Grundsätze 
e) GS. 1849, S. 125. 
7) GS. 1850, S. 343.
	        
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