666 Das Verwaltungsrecht. 8220
daher eines neuen Staatsgesetzes, um diese teilweise aufzuheben,
und Platz zu schaffen für die neuen kirchlichen Ordnungen. Von
diesen Gesichtspunkten aus sind die Gesetze vom 25. Mai 1874
und vom 3. Juni 1876 ergangen. Sie regeln aber nußerdem
grundsätzlich das Necht des Staates gegenüber der evangelischen
Landeskirche. Die Einwirkung des Staates auf die evangelische
Kirche erstreckt sich dabei sowohl über die Kirchengesehgebung wie
über die Kirchenverwaltung.
Anerkannt ist ein selbständiges kirchliches Gesetzgebungs= und
Verordnungsrecht in den kirchenrechtlich vorgeschriebenen Formem
sowohl für die ganze Landeskirche wie für einzelne Provinzen
oder Bezirke. Wie vom staatlichen Standpunkte aus selbstver-
ständlich ist, aber noch ausdrücklich hervorgehoben wird, sind die
kirchlichen Gesetze und Verordnungen nur soweit rechtsgültig, als
sie mit keinem Staatsgesetze und, wie man noch hinzufügen kann,
mit keiner rechtsgültigen staatlichen Verordnung im Widerspruche
stehen. In dieser Beziehung findet, soweit es sich um Kirchen-
gesetze, also um Anordnungen, die der König nicht einseitig wieder
abändern kann, handelt, eine besondere staatliche Aufsicht statt
durch ein vorweg genommenes Placet. Bevor ein von einer
Provinzialsynode oder von der Generalsynode beschlossenes Geseh
dem Könige zur Sanktion vorgelegt wird, ist durch eine Erklärung
des Staatsministeriums festzustellen, daß gegen das Gesetz von
Staats wegen nichts zu erinnern ist. In der Verkündigungsformel
muß diese Feststellung erwähnt werden (Art. 13 des Ges. vom
3. Juni 1876). Ein noch weitergehender Staatseinfluß findet bei
einzelnen Arten von Kirchengesetzen, nämlich solchen, welche die
lirchliche Verwaltungsorganisation und das kirchliche Finanzwesen
betreffen, statt, indem teils eine Zustimmung des Staats-
ministeriums, teils eine Genehmigung durch Staatsgesetz erfordert
wird. Auf die einzelnen Gegenstände wird im folgenden zurück-
zukommen sein.
Neben den kirchlichen Gesetzen und Verordnungen gehen die
nach Maßgabe derselben von den einzelnen Gemeinden und Kreis“
synoden erlassenen statutarischen Anordnungen einher. Zur Fest-
stellung der letzteren bedarf es stets, zur Feststellung der ersteren
in den östlichen Provinzen der vorgängigen Anerkennung seitens
der Staatsbehörde, nämlich des Regierungspräsidenten, für Berlin