Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8 221 Der Staat und die katholische Kirche. 677 
meinden, sondern auch in ihrer Gesamtheit als Rechtsgemein- 
schaft vom Staate anerkannt. Dagegen ist die Verleihung der 
privatrechtlichen Rechtspersönlichkeit, d. h. die Verleihung von 
Korporationsrechten weder an die katholische Kirche überhaupt, 
noch an die katholische Kirche des preußischen Staates, sondern 
nur an die einzelnen kirchlichen Gemeinden und Anstalten erfolgtz). 
In dem Verhältnisse zum Staate ist die katholische Kirche eine 
öffentlich aufgenommene Religionsgesellschaft. Die Kirche und ihre 
Diener genießen daher alle diejenigen Vorzüge im Rechtsleben 
des Staates, welche mit jener Eigenschaft verbunden sind. 
Die gesamte Organisation der katholischen Kirche beruht auf 
den erwähnten Cirkumskriptionsbullen. Wenn auch auf Grund 
von Verabredungen zwischen Staat und Kurie erlassen, haben 
sie doch nicht den Charakter des Vertrageso). Es kann hier die 
Frage, ob ein solcher Vertrag überhaupt rechtlich möglich wäre, 
sowie die viel behandelte Streitfrage nach der rechtlichen Natur 
der Konkordate unerörtert bleiben. Jedenfalls sind die Bullen 
einseitige Erlasse, denen gegenüber die vorherigen Verabredungen 
nur die Bedeutung eines Beweggrundes haben. Die Bullen sind 
ferner kirchliche Erlasse, sie beruhen auf der der Kirche ein- 
geräumten Befugnis der autonomen Satzung. Mit Recht be- 
zeichnet daher die Kabinettsorder vom 23. Februar 1821 die 
Bulle De salute animarum als bindendes Statut der katholischen 
Kirche Preußens. Die Cirkumskriptionsbullen bedurften wie alle 
kirchlichen Erlasse zur Regelung äußerer Verhältnisse nach dem 
damals unstreitig geltenden Staatskirchenrechte der staatlichen Ge- 
nehmigung. Wenn auch ein staatliches Placet nicht mehr besteht, 
erscheint die Kirche zur einseitigen Abänderung der Cirkum- 
striptionsbullen nicht berechtigt. Denn der Staat hat sie nicht 
nur wie sonstige kirchliche Erlasse genehmigt, sondern als von 
ihm selbst gewolltes Recht, ja in Hannover geradezu als landes- 
herrliches Gesetz verkündet. Ferner regeln die Cirkumskriptions- 
bullen nicht nur rein kirchliche Verhältnisse, sondern auch die 
— — — 
5) Uebereinstimmend Förster-Eccius, Preuß. Privatrecht Bd. 4 
(8 . A.), S. 400, N. 129; Hinschius bei Margquardsen a. a. O. S. 249. 
* 6) VglI. darüber H. v. Schulze-Gaevernip, Preuß. StR. Bd. 2, 
478.
	        
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