8222 Der Staat und die übrigen Religionsgesellschaften. 691
sichtigen und Beschwerden einzelner zu entscheiden. Ihre Ge-
nehmung ist erforderlich zur Einführung neuer Auflagen, zur
Aufnahme von Anleihen und zum Ankaufe von Grundstücken,
sowie zur freiwilligen Veräußerung von Grundstücken und Real-
berechtigungen, in der Provinz Posen außerdem zur Aufnahme
von Schulden jeder Art, zur Anstellung von Prozessen und zur
Abschließung von Vergleichen über Gerechtsame der Korporation
oder über die Substanz des Vermögens der Synagogengemeinde,
wie zur Aufstellung des Verwaltungsetats und zu aufßeretats-
mäßigen Ausgaben. «
Ueber die im Gesetze nicht geregelten oder statutarischer
Regelung vorbehaltenen Gegenstände hat jede Gemeinde ein Statut
zu errichten, welches der Bestätigung des Oberpräsidenten unter-
liegt. Es hat insbesondere zu bestimmen, ob Kultusbeamte
angestellt, und wie sie gewählt werden sollen. Die gewählten
Kultusbeamten, welche unbescholtene Männer sein müssen, dürfen
in ihr Amt nicht eher eingewiesen werden, als bis die Regierung
erklärt hat, daß gegen ihre Annahme nichts zu erinnern ist.
Zur Annahme ausländischer Juden als Kultusbeamter ist die
Genehmigung des Ministers des Innern erforderlich. Streitig-
keiten über Kultusangelegenheiten sind von einer durch die Minister
der geistlichen Angelegenheiten und des Innern bestellten Kom-
mission zu entscheiden.
Die Kosten zur Deckung der Bedürfnisse der Synagogen-
gemeinden werden nach Maßgabe des Statuts auf die einzelnen
Beitragspflichtigen umgelegt und können, nachdem die Heberollen
von der Regierung für vollstreckbar erklärt sind, im Verwaltungs-
wege eingezogen werden.
In den Hohenzollernschen Landen sind die Gemeindeverhältnisse
der Juden durch ein Gesetz vom 9. August 1837 geregelt.
In den neuen Provinzen ist der Rechtszustand im allgemeinen
der aus früheren Zeiten überkommene, also verschieden je nach
den einzelnen ehemals selbständigen Staaten oder Staatsteilen. Für
Hannover gilt das Gesetz vom 30. September 184209), für Kur-
hessen die Verordnung vom 30. Dezember 1823 mit einer Novelle
6) Hann. GS. 1842, Abt. I, S. 211. Vgl. dazu Bekanntm. vom
19. Januar 1844 — a. a. O. 1844, Abt. I, S. 43 —, sowie Verordnung
vom 31. Dezember 1860 — a. a. O. 1860, Abt. I Nr. 47 —.
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