l 224 Das Volksschulwesen. 703
besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen dritter werden
alle Schullasten der Gemeinde auferlegt. Der Staat haftet jedoch
ergänzend bei nachgewiesenem Unvermögen der Gemeinde. Er ge-
währleistet insbesondere den Volksschullehrern ein festes, den ört-
lichen Verhältnissen angemessenes Einkommen. Dagegen soll der
Unterricht in der öffentlichen Volksschule unentgeltlich erteilt werden
(Art. 25). Endlich wurde ein besonderes Gesetz zur Regelung
des ganzen Unterrichtswesens in Aussicht gestellt (Art. 26). Diese
verfassungsrechtlichen Bestimmungen über das Unterrichtswesen
wurden aber suspendiert, indem nach Art. 112 der Verfassungs-
urkunde bis zum Erlasse des in Art. 26 vorgesehenen Gesetzes
es hinsichtlich des Schul= und Unterrichtswesens bei den geltenden
gesetzlichen Bestimmungen sein Bewenden haben soll. Statt dessen
ist durch die Verfassungsnovelle vom 10. Juli 1906 für die Zukunft
nur gesetzliche Regelung des Unterrichtswesens verheißen. Bis
dahin bleiben die bestehenden Bestimmungen in Kraft.
Die frühere Streitfrage, ob die Art. 21 bis 25 der Verfassungs-
urkunde bis zum Erlasse eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes
vollständig suspendiert sind') oder ob eine Suspension nur soweit
stattfindet, als die Bestimmungen zu ihrer Verwirklichung eines
besonderen Gesetzes bedürfen, ist seit der Verfassungsnovelle von
1906 erledigt. Ein allgemeines Unterrichtsgesetz wird überhaupt
nicht mehr verheißen. Die Art. 21 bis 25 haben das ältere
Unterrichtsrecht nicht aufgehoben. Soweit eine gesetzliche Rege-
lung noch nicht stattgefunden hat, kann die Regelung auch weiter
durch Verordnung erfolgen, die an die Art. 21 bis 25 nicht
gebunden ist. Aber die Regelung soll in Zukunft durch Gesetz
erfolgen, und ein solches kann nur innerhalb der verfassungs-
mäßigen Schranken der Art. 21 bis 25 ergehene).
Bei dem Nichtzustandekommen des allgemeinen Unterrichts-
gesetzes und der teilweisen Suspension der das Unterrichtswesen
behandelnden Verfassungsartikel sind also die Rechtsquellen für
das Volksschulwesen in Preußen im wesentlichen nur partikulare
und spezielle. Die letzteren, welche, besonders in neuester Zeit
ergangen, einzelne Gegenstände des Schulwesens zu regeln be-
2) Das war in der 1. Aufl. behauptet.
3) So auch Arndt zu Art. 26 Vll. in seinem Kommentare.