8224 Das Volksschulwesen. 707
maß und die zur Festsetzung berechtigte Behörde, meist die Orts-
polizeibehörde, bestimmen, fehlt eine ähnliche erschöpfende Vor-
schrift für die landrechtlichen Gebietsteile. Der § 48 II, 12 A#R.-2)
legt nur den Schulaufsehern die Pflicht auf, unter Beistand der
Obrigkeit die säumigen Eltern durch Zwangsmittel und Bestrafung
zu ihrer Verpflichtung anzuhalten. Die Praxis half sich durch
Polizeiverordnungen und durch polizeiliche Zwangsstrafen. Nach-
dem diese durch die Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe)
mit Recht verworfen sind, da es sich nicht um polizeiliche Angelegen-
heiten handele, bleiben nur Regierungsverordnungen übrig, die
für Hessen-Nassau ausdrücklich gesetzlich anerkannt sinds). Im
übrigen dürfen die Regierungen nach § 11 der Regierungsinstruk-
tion vom 23. Oktober 1817, wo das Gebot oder Verbot an sich
schon durch Gesetz fest steht, wie hier durch 8 48 II, 12 ALgt.,
die Strafe innerhalb der Grenzen des ALR. II, 20 88 33, 35 —
bis 150 Mk. Geldstrafe oder 6 Wochen Haft — bestimmen und be-
kannt machen. Diese Regierungsverordnungen sind jetzt der all-
gemeine Weg zur Erzwingung der allgemeinen Schulpflicht.
Sachlich erstreckt sich die Verpflichtung nur auf denjenigen
Unterricht, den die öffentlichen Volksschulen gewähren, seinen Kin-
dern eine höhere Bildung zu verschaffen, ist niemand verpflichtet.
Dabei haben die Eltern oder deren Stellvertreter die Wahl, ob
sie die Kinder in eine öffentliche Volksschule schicken oder ihnen
den erforderlichen Unterricht auf einer höheren Schule oder durch
geeignete Privatlehrer erteilen lassen wollen. Die Schulpflicht
soll nach dem A#. II, 12 §8 43, 46 mit dem zurückgelegten
fünften Lebensjahre des Kindes beginnen und so lange fortgesetzt
werden, bis es nach dem Befunde seines Seelsorgers, gegenwärtig
.
anzubrohen, die 3 M. oder einen Tag Haft für jeden Tag der Versäumnis
nicht überschreiten dürfen.
23) Er ist durch Gesetz vom 6. Mai 1886 — GS. 1886, S. 144 —
auch in Schlesien, Ost= und Westpreußen, wo die partikularen Rechtsnormen
unzureichende Strafbestimmungen enthielten, statt ihrer zur Einführung
gelangt, um der Regelung durch Verordnung Platz zu machen.
24) Vgl. Entsch. des Kompetenzgerichtshofes vom 14. März 1863 —
IMl. 1863, S. 126 —, des O#. vom 12. Februar 1881, Bd. 7,
S. 215 —; urteil des Kammergerichtes vom 9. Januar und Bekannt-
machung vom 11. Juli 1895 — Chl. der Unterrichtsverw. 1896, S. 721—.
25) Vgll. N. 22.
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