Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8224 Das Volksschulwesen. 717 
lichen Grundsätze werden ausdrücklich anerkannt in dem ALR. II, 
12 §8 10, 11, der erstere auch in § 34 des Vll G. Dagegen ent- 
hält das ALR. und die spätere allgemeine Gesetzgebung bis 1906 
nichts über die für die innere Einrichtung der Volksschule grund- 
legende Frage, ob die preußische Volksschule eine konfessionelle 
oder eine simultane ist. 
Unter der Konfessionalität der Schule ist zu verstehen die 
rechtliche Notwendigkeit, daß der Lehrer einem bestimmten Be- 
kenntnisse angehört, in der auch allein der Religionsunterricht 
erteilt wird. Nicht notwendig, aber natürlich und herkömmlich 
ist es dabei, daß auch der übrige Unterricht im Geiste dieses Be- 
kenntnisses erteilt wird. Bei der simultanen oder paritätischen 
Schule ist dagegen das religiöse Bekenntnis des Lehrers, soweit 
nicht die Erteilung des Religionsunterrichts in Betracht kommt, 
gleichgültig, der Religionsunterricht wird in allen denjenigen Be- 
kenntnissen erteilt, welche unter den Schulkindern in hinreichend 
starker Anzahl vertreten sind. Aus diesem Verhältnisse ergibt 
sich, daß bei Erteilung des übrigen Unterrichts von konfessionellen 
Gesichtspunkten in dem Maße abgesehen werden muß, als dies 
bei dem notwendig religiösen Charakter des gesamten Volksschul- 
unterrichts überhaupt möglich erscheint. 
Die preußische Volksschule war schon nach ihrer geschichtlichen 
Tntstehung aus der Kirchenschule und nach der Verwaltungspraxis 
konfessionell. Das erkannten für die alten Provinzen zwei Ka- 
binettsorders vom 4. Oktober 1821 und vom 23. März 182950) 
— — — — — — — 
Schulpflicht auch auf den Religionsunterricht erstreckt, kann Befreiung von 
ihm nur dann gefordert werden, wenn für ihn anderweit gesorgt ist. Das 
Kammergericht hat daher in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß 
die Dissidentenkinder, bei denen dies nicht der Fall ist, trotz des § 10 II, 12 
As. den Religionsunterricht der öffentlichen Volksschule besuchen müssen. 
Vgl. besonders Entsch. vom 17. April 1893 — Johow und Küntzel, 
Bd. 14, S. 368 — und 4. April 1901 — a. a. O. Bd. 22, S. 75 —. 
86) v. Kamptz, Ann. B-d. 6, S. 381 und v. Rönne, Pr. Unter- 
richtswesen Bd. 1, S. 651. Der Zweifel an der Rechtsverbindlichkeit der 
Kabinettsorders, den Gneist, Konfessionelle Schule, S. 26, 58 wegen 
mangelnder Verkündigung in der GS. erhebt, ist unbegründet. Denn die 
Kabinettsorders bedurften zu ihrer Verbindlichkeit nach damaligem Staats- 
rechte überhaupt keiner Verkündigung, da sie nicht unter den Gesetzesbegrif; 
der §§ 7, 10 Einl. AL. sielen. Vgl. Bd. 1, 88 77, 78.
	        
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