8 226 Das höhere Unterrichtswesen. 725
den Religionsgesellschaften eingeräumt. Damit ist aber kein cigenes
Recht der Kirche begründet. Der Ministerialerlaß vom 18. Februar
187646), der die Beziehungen der Kirche zur Schule nach Maßgabe
des geltenden Rechtes geregelt hat, geht daher ganz richtig davon
aus, daß die Schulaufsicht ein Recht des Staates ist. Er bedient
sich aber bei der Beaufsichtigung des Religionsunterrichtes der
Mitwirkung der Kirche. Die Organe der Religionsgesellschaften
sind berechtigt, dem schulplanmäßigen Religionsunterrichte beizu-
wohnen, den Religionslehrern Ratschläge und Belehrungen zu
erteilen, Wünsche und Beschwerden in Bezug auf den Religions-
unterricht den staatlichen Aufsichtsbehörden vorzutragen. Die Ab-
stellung liegt nur dem Staate ob. Irgend welche Missio canonica
für die Religionslehrer durch die Kirche und die Möglichkeit der
Entziehung seitens der Kirche wird vom Staate nicht anerkannt.
§ 225. Das höhere Unterrichtswesen 1).
Für das höhere Unterrichtswesen fehlt es abgesehen von den
vereinzelten Bestimmungen des ALR. II, 12 88 54 ff. an einer
gesetzlichen Regelung so gut wie ganz. Der ganze Rechtszustand
beruht im wesentlichen auf Ministerialerlassen. Die in Art. 26
der Verfassungsurkunde geforderte gesetzliche Regelung bleibt das
Ideal für die Zukunft.
Zu unterscheiden sind zwei Arten von Unterrichts= und wissen-
schaftlichen Anstalten mit wesentlich verschiedener Rechtsstellung,
einmal die höheren Schulen und weiterhin die Universitäten, Hoch-
schulen und Akademien.
I. Unter den höheren Unterrichtsanstalten versteht man solche,
welche in schulmäßiger Unterrichtsweise eine über den Unterrichts-
kreis der Volksschule hinausgehende Bildung gewähren. Der Staat
zwingt seine Einwohner nicht, ihre Kinder und Pflegebefohlenen
in höhere Schulen zu schicken, der Schulzwang greift also auf
dem Gebiete des höheren Unterrichtswesens nicht Platz. Nur in-
sofern macht sich der Schulzwang auch hier geltend, als der allge-
46) Ml. der inn. Verw. 1876, S. 68.
1) Vgl. L. Wiese, Das höhere Schulwesen in Preußen, 3 Bände,
Berlin 1864—1875; Wiese-Kübler, Verordnungen und Gesetze für
die höheren Schulen in Preußen, 3. Ausg., Berlin 1886—1888.