Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

720 Das Verwaltungsrecht. §225 
meinen Schulpflicht auch durch den Besuch einer höheren Schule 
genügt werden kann. 
Da eine allgemeine Schulpflicht für das höhere Unterrichts- 
wesen nicht besteht, so fehlt auch die entsprechende Verpflichtung 
des Staates, für höhere Unterrichtsanstalten dem Bedürfnisse ge- 
mäß zu sorgen. Im Gegenteile kann es im Interesse der Unter- 
richtspolitik liegen, die Befriedigung eines ungesunden Bedürfnisses 
nach höheren Unterrichtsanstalten zu verhindern und, indem der 
Staat dies tut, handelt er durchaus innerhalb der Schranken der 
Rechtsordnung. Eben so wenig kann er einer Gemeinde oder einem 
sonstigen Verbande die Verpflichtung zur Errichtung oder Unter- 
haltung einer höheren Schule auferlegen. Die Gemeinden, welche 
Schulen errichten und unterhalten, erweitern vielmehr den Kreis 
ihrer kommunalen Aufgaben über das vom Staate geforderte Maß. 
Endlich kann der staatliche Charakter des höheren Schulwesens 
nicht daraus folgen, daß die Anstalten der Erfüllung einer allge- 
meinen Pflicht dienen, sondern nur daraus, daß die Veranstal- 
tungen vom Staate oder einer öffentlichen Korporation ausgehen. 
Für die landrechtlichen Gebietsteile bezieht sich die Erklärung des 
§ 1 II, 12 ALR., daß die Schulen Veranstaltungen des Staates 
sind, auch auf das höhere Schulwesen, und dasselbe gilt gewohn- 
heitsrechtlich auch außerhalb des landrechtlichen Gebietes. 
Die höheren Schulen werden unterhalten entweder vom Staate 
oder von den Gemeinden oder von sonstigen öffentlichen Kor- 
porationen. Je nachdem das eine oder das andere der Fall ist, 
spricht man von einem königlichen, städtischen usw. Patronate. 
Bisweilen wirken auch mehrere Träger zusammen entweder in der 
Form des Kompatronats, so daß die Rechte und Pflichten gleich- 
mäßig verteilt sind, oder derart, daß der eine bloß einen Geld- 
zuschuß zu der unter dem Patronate eines anderen stehenden Schule 
gewährt. Zur Errichtung jeder höheren Schule ist die Genehmi- 
gung des Unterrichtsministers erforderlich. Nach dem Frlasse vom 
250. März 1871:) wird diese einer Gemeinde erst dann erteilt, wenn 
zuvor nachgewiesen ist, daß für das Volksschulwesen des Ortes 
ausreichend gesorgt, und daß es durch die für eine höhere 
Schule nötigen Aufwendungen in keiner Weise beeinträchtigt wird. 
Im übrigen wird die Nachweisung einer entsprechenden Aus- 
:) V#l. der inn. Verw. 1871, S. 199.
	        
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