Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8157 Die Grenzen der Justiz. 71 
Dic Reichsjustizgesetze, welche das Verfahren in Zivil= und 
Strassachen regeln, enthalten sich einer Bestimmung darüber, welche 
Sachen als Zivil= und Strafsachen zu betrachten sind. So spricht 
§ 3 der Einführungsgesetze zur Zivilprozeßordnung und zur Straf- 
prozeßordnung nur aus, daß beide Prozeßgesetze Anwendung finden 
sollen auf die vor die ordentlichen Gerichte gehörigen Zivil- und 
Strafsachen, und nach § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes sollen 
vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 
und Strafsachen gehören, für welche weder die Zuständigkeit von 
Verwaltungsgerichten oder Verwaltungsbehörden begründet ist, noch 
reichsgesetzlich besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Außer- 
dem legt § 4 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze 
der Landesgesetzgebung die Befugnis bei, den durch das Gerichtsver- 
sassungsgesetz angeordneten Gerichtsbehörden jede andere Art der 
Gerichtsbarkeit, sowie Geschäfte der Justizverwaltung, nicht dagegen 
andere Gegenstände der Verwaltung zu übertrageno). Mit dieser 
letzteren Beschränkung ist also, abgesehen von reichsrechtlichen 
Sonderbestimmungen die Umgrenzung der Zivil= und Strafgerichts- 
barkeit der ordentlichen Gerichte lediglich der Landesgesetzgebung 
überlassen. Das Reichsrecht stellt nur die Formen des Zivil- 
und Strafprozesses fest und verweist diese Prozesse, sofern sie zu- 
lässig sind, vor die ordentlichen Gerichte. Das Landesrecht besagt 
aber, wann der Zivil= oder Strafprozeß stattfindet. 
Der Zivilprozeß ist nun nach allen deutschen Partikularrechten, 
soweit nicht besondere Ausnahmen bestehen, zulässig wegen Streitig- 
keiten über subjektive Rechte und Pflichten der Privatpersonen 
untereinander auf privatrechtlicher Grundlage. Zu den Privat- 
personen ist auch der König zu rechnen, soweit er als Privatperson 
mit anderen in privatrechtlichen Verkehr trittr). Ebenso findet der 
Strafprozeß statt, wenn jemand dem Strafrechte zuwidergehandelt, 
d. h. wenn er einen Bruch der Rechtsordnung begangen hat. Was 
als Grundlage einer privatrechtlichen Berechtigung oder Verpflich- 
tung, und was als strafbarer Bruch der Rechtsordnung anzusehen 
ist, erscheint als eine Frage des Privat= oder Strafrechts. Es ist 
nicht Aufgabe des Staatsrechts festzustellen, welche Gegenstände 
6) Unter der Gerichtsbarkeit ist nur zu verstehen eine in richterlicher 
Unabhängigkeit auszuübende Behördentätigkeit, eine sachliche Verschiedenheit 
der richterlichen und der Verwaltungsakte wird damit keineswegs anerkannt. 
7) Vgl. 8§ 26. 
 
	        
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