72 Das Verwaltungerecht. § 157
überhaupt in das Privatrecht oder Strafrecht gehören, es hat nur
da, wo die Grenze zwischen diesen Rechtsgebieten und seinem
eigenen zweifelhaft ist, diese Grenze zu ziehen und damit zu er
klären, welche Angelegenheiten es für sich in Anspruch nimmt und
welche nicht. Verschiedentlich steht nun aber in solchen Angelegen-
heiten, die nach ihrem Inhalte Zivil= oder Strassachen sind, der
Verwaltungsbehörde eine vorläufige Entscheidung derart zu, daß
der ordentliche Richter mit der Sache erst befaßt wird, nachdem
die Verwaltungsbehörde entschieden hat. Dies ist namentlich der
Fall in Gesinde- und gewissen anderen Streitigkeiten zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei denen es sich um rein privat
rechtliche Verträge über Arbeitsverhältuisse handelt, und in einigen
geringfügigen Strassachen. Im einzelnen wird auf diese JFälle
in den folgenden Abschnitten zurückzukommen seins).
Beruht ein Anspruch, welcher streitig ist, auf einer privatrecht-
lichen Grundlage oder liegt ein Bruch der Rechtsordnung vor, so
ist damit der privat= oder strafrechtliche Charakter der Angelegen
heit klargestellt. Es kommt nicht in Betracht, daß der Richter
vielfach, um den Zivil= und Strafprozeß entscheiden zu können,
auch über öffentlich-rechtliche Fragen mit erkennen muß. Während
das französische Recht hier die äußerste Folgerung aus seinem
Grundsatze der Teilung der Gewalten zieht und den Zivil= oder
Strafrichter an die Vorentscheidung der Verwaltungsbehörde über
den öffentlichrechtlichen Inzidentpunkt bindeto), hat das deutsche
Recht mit geringen Ausnahmen, die aber bis auf eine einzige,
nämlich die Konfliktscrhebung, reichsrechtlich beseitigt sind, immer
daran festgehalten, daß das Gericht auch über die staatsrechtlichen
Obersätze seines Urteils zu befinden habe. Maßgebend ist für
die Beurteilung der Zuständigkeit der gesamte Inhalt der Zivil-
oder Strafklage, insbesondere der in ihr enthaltene Antrag.
8) Vgl. 88 173, 192.
) Vgl. Dareste, Il.a justice administralive en France p. 207: „Enfin
la regle de la séparation des pouvoirs ne s'applique pas seulement auf ac-
tions principales, mais encore à tous les incidents. Lorsdu'il s’elève un
incident qdui n'’est pas de la compétence de l’autorité saisie, celle-ci doit
sursoire et renvoyrer les parties à se pourvoir devant la juridiction compé-
tente, pour y faire juger la qduestion préjudicielle, Sous toutes réserves du sond.“
10) Vgl. Entsch. des Kompetenzgerichtshofs vom 20. Oktober 1866
— JMll. 1866, S. 101 —.