Full text: Staats- und Verwaltungsrecht des Großherzogtums Baden.

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Die in 8 63 der Verfassungsurkunde vorge- 
sehenen außerordentlichen Befugnisse des Groß- 
herzogs zur Aufnahme von Anleihen und zur 
Ausschreibung von Steuern im Falle des Krieges 
sind für gegenstandslos zu erachten, da die Auf- 
bringung der Kosten für das Heerwesen in Krieg 
und Frieden Sache des Reiches ist. 
821. Aufhebung der Gesetze. 
Das Gesetz trägt die formelle Gesetzeskraft 
in sich, d. h. ein Gesetz kann nur durch Gesetz 
ganz oder teilweise aufgehoben werden. Bei einem 
Verfassungsgesetze hat diese Wirkung nur ein 
neues Verfassungsgesetz. Dahingestellt bleibt 
dabei, inwieweit dem Gewohnheitsrechte die dero- 
gatorische Wirkung innewohnt. 
Ein Gesetz kann aber auch in vollem Umfange 
fortgelten, während ihm seine Wirksamkeit zum 
Teil entzogen wird. Diese Fälle bedürfen hier 
einer näheren Erörterung. 
l. Dispensation ist Befreiung eines einzelnen 
von der Anwendbarkeit einer im Gesetze enthal- 
tenen allgemeinen Rechtsnorm. Das Wesen der 
Dispensation ist verschieden. Entweder das Gesetz 
läßt die Dispensation allgemein oder im beson- 
deren Falle ausdrücklich zu. Dann ist der Dis- 
pensationsakt ein Vollzugsakt der Regierung oder 
der Verwaltung, wodurch der wahre Wille des 
Gesetzgebers durchgeführt wird. Oder das Gesetz 
läßt die Dispensation nicht zu: dann ist die Be- 
freiung des einzelnen von der Anwendbarkeit des 
Gesetzes eine teilweise Aufhebung und kann nach 
der formellen Gesetzeskraft nur in Gesetzesform 
geschehen. 
In England galt bis zur Revolution von 1688 
der Monarch zu Dispensationen allgemein ermäch- 
tigt, bis die mißbräuchliche Anwendung durch
	        
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