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fährdet. Solle daher die Revolution wirklich beendigt werden,
und die neu zu errichtende Ordnung Europas kein bloßer
Waffenstillstand, sondern ein wirklicher Frieden sein, so müsse
das Legitimitätsprincip, für dessen Vertheidigung ganz
Europa unter die Waffen getreten, unbeschränkt trium—
phiren, d. h. der König und das Königreich Sachsen gerettet
und Neapel seinem rechtmäßigen Herrscher zurückgegeben werden.
Damit war der neuen Ordnung Europas ein bestimmtes
Princip als die angeblich allein zulässige Grundlage unter-
geschoben und dem Staatsrechte ein Begriff zugeführt worden,
der, wenn auch keineswegs neu, so doch noch niemals an
solcher Stelle so consequente Vertreter und so gläubige Ver-
ehrer gefunden hatte: ein Begriff, der von nun an in
der Theorie wie in der Praxis als die einzige juristische
Begründung der Staaten, Throne und Dynastien angesehen
werden sollte und auch wirklich längere Zeit hindurch angesehen
worden ist.
Aber nicht blos als juristischer Lehrsatz ist das Legitimi-
tätsprincip wichtig geworden; einen viel hervorragendern Ein-
fluß auf die Geschichte des enropäischen Festlandes errang es
durch die Erhebung zu einer bestimmten politischen Theorie.
Talleyrand hatte die Legitimität als den diametralen Gegensatz
der Revolution bezeichnet und deshalb ihre Alleinherrschaft
verlangt; damit war aller conservativen Politik der Stand-
punkt angewiesen, von welchem aus entschieden werden müsse,
wo bei dem Streite der Völker oder der Parteien das Recht
und wo das Unrecht sei.
So wurde die von Talleyrand mit einer bei dem alten
Staatsmanne der Republik und des Kaiserreichs erstaunlichen
Begeisterung verkündigte Legitimitätstheorie zu der allezeit
brauchbaren Rechtfertigung des unbeweglichsten Stillstandes