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So hatte sich die Theorie von dem göttlichen Rechte der
Herrscher sogar mit einer gewissen praltischen Nutzanwendung
auch in einer Zeit fortgefristet, in welcher nach der Lehre der
einen der Staat als durch Verträge, nach der Lehre der an-
dern als durch Gewalt geschaffen angesehen wurde.
Dennoch aber konnte die Revolutionsperiode nicht ohne
Einfluß auf eine stärkere Belebung dieser Theorie sein. Die
illegitimen Dynastien hätten zwar nach einer gleich frommen
Welt= und Geschichtsanschauung, als diejenige war, aus welcher
das Prädicat „von Gottes Gnaden“ hervorgegangen, auch als
durch den Willen oder die Gnade Gottes zur Herrschaft be-
rufen angesehen werden müssen. Ja, nicht allein der fromme,
auch der klare Denker hätte sich nicht damit begnügen dürfen,
zu sagen, daß Gott blos die rechtmäßigen Könige eingesetzt
habe, „denn Gott hat alles, auch das Schlechteste gemacht“. 1)
Aber zunächst lag doch die ungeheuere Masse von Verbrechen
und Gewaltthaten, welche zur Begründung des französischen
Kaiserthrons und seiner Filialfürstenthümer geführt hatten,
vor dem Blicke des Zeitalters und konnte in dem Geiste eines
frommer Versenkung entfremdeten Geschlechts nicht den Glau-
ben entstehen lassen, als sei auch dies durch, nicht gegen
den Willen Gottes geschehen.
So knüpfte sich die Vorstellung eines göttlichen Rechts
auf die Krone denn nur an die legitimen Dynastien, und es
war dies um so natürlicher, als die moderne Politik, um den
Misbrauch des gottbegnadigten Königthums zur Herstellung
einer absoluten Fürstengewalt unmöglich zu machen, den durch
die Revolution und Eroberung zur Herrschaft gelangten Empor-
kömmlingen das Prädicat „von Gottes Gnaden“ regelmäßig
6) Hegel, Philosophie des Rechts, S. 375.