Full text: Das Legitimitätsprincip.

105 
eine besondere übermenschliche Menschenrasse, welche nur aus 
den legitimen Fürsten bestehen soll, und vergißt dabei, wie er 
selbst in Zeiten der Anarchie die Usurpation der Gewalt durch 
den Fähigsten vertheidigt und meint, diese Usurpation werde, 
sofern das Volk ihr thatsächlich zustimme, d. h. sich ihr 
unterwerfe, alle Legitimität besitzen, welche in derartigen Zu- 
ständen möglich sei. 1 
Ueberdies hilft de Maistre der ungeheuern, ja nach 
den historischen Erfahrungen unüberwindlichen Schwierigkeit, 
die in eine halb göttliche Ausnahmestellung heraufgehobenen 
Fürsten durch irgendein rechtliches Band zu fesseln, nur durch 
die unzugänglichsten Mittel ab, so viel er auch von der 
Nothwendigkeit einer Beschränkung der monarchischen Gewalt, 
von bestimmten rechtmäßigen Eigenschaften und deshalb auch 
Schranken der europäischen Monarchie im Gegensatze zu der 
asiatischen Despotie spricht. Er fordert von den Unterthanen 
vollständig unbedingten Gehorsam gegen ihre Herrscher. 2) 
Bonald hat wenigstens daran gedacht, dem Volke das Recht 
wie die Pflicht zur Gehorsamsweigerung dann zuzusprechen, 
wenn der Monarch sich gegen göttliches Gebot versündige 3), 
ammd damit ein viel gefährlicheres Revolutionsrecht geschaffen, 
als es jemals die Lehre von dem blos verfassungsmäßigen 
Gehorsam hätte schaffen können. De Maistre aber findet 
selbst in der Verletzung des göttlichen Gebotes keinen Grund 
zur Weigerung des Gehorsams für die Unterthanen; denn 
alle Uebel, welche aus dem Ertragen der abscheulichsten Mis- 
regierung hervorgingen, seien gering gegen die Uebel einer 
1) De Maistre, a. a. O., I, 105, 169, 229. 
2) Urgesetzgebung, S. 48, 92. 
:) De Maistre, a. a. O., I, 105.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.