4
schen Verhältnisse nach Vernunft= und Humanitätsgründen,
nach Naturrecht und Nützlichkeit abzuändern, sollte durch die
Aufstellung des Legitimitätsprincips ein für allemal grund-
sätzlich widersprochen werden: die Legitimitätstheorie war die
natürliche Folge der langen Revolutions= und Kriegsperiode,
welche durch den ersten Pariser Frieden ihren Abschluß erhielt.
Dieser Zeitraum hatte begonnen mit dem stürmischen
Verlangen des französischen Volks nach freien Staatseinrich-
tungen, welche die von wenigen vertretene Einsicht der Ver-
fassung Englands, die große Masse der Politiker aber der
nordamerikanischen Constitution nachzubilden versuchte. Die
Anhänger der letztern waren Sieger geblieben: die erste Ver-
fassungsurkunde des revolutionären Frankreichs kannte keinen
souveränen König mehr; die einzige, untheilbare, unveräußer-
liche und unverjährbare Souveränetät war dem Volke bei-
gelegt, dem Könige nur die ausübende Gewalt übertragen
und durch das ihm eingeräumte blos suspensive Veto die
Stellung des Monarchen geraubt. 1)
Aber mit der Erreichung dieses Zieles war die Nation
noch nicht befriedigt gewesen: die Revolution verschlang das
alte Königthum der Bourbonen, und dem neugeschaffenen de-
mokratischen Staatskörper wurde auch der Name der Republik
nicht mehr vorenthalten.
Der Gegensatz zwischen dem modernen Frankreich, in
welchem die souveräne Nation herrschte, und den übrigen
Staaten Europas, welche die Souveränetät regelmäßig einem
Monarchen, nirgends aber dem ganzen Volke zuschrieben, war
nunmehr in dem Gegensatze der republikanischen und der mon-
1) Verfassungsurkunde vom 3. Sept. 1791 (Pölitz, Europkische
Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, II, 2 fg.).