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theil des Souveräns aufgefaßt, und, wenn er auch in seinen
gegen die Annexion Sachsens gerichteten Noten feierlichst da-
gegen protestirte, daß man die staatliche Existenz eines bisher
unabhängigen Volks mit der gewaltsamen Depossedirung des
Souveräns für vernichtet halte und das Land wie die ehe-
maligen Unterthanen eines besiegten Fürsten dem Sieger zu-
spreche, wie wenn sie der Viehstand eines verkauften Meier-
hofs seien 1), so bewiesen doch seine Vorschläge über die
Preußen zuzugestehenden Entschädigungen, überhaupt seine
Theilnahme an den alle Berechtigung der Nationalitäten auf
die Fortdauer ihrer überkommenen staatlichen Sonderexistenz
verleugnenden Bestimmungen des Wiener Congresses, wie
wenig es ihm damit ernst war, die Geschicke der Völker ven
denen ihrer Souveräne zu trennen und den erstern auch dann
noch ein Recht auf Unabhängigkeit einzuräumen, wenn ihre
Beherrscher irgendeiner politischen Combination, irgendeinem
historischen Ereignisse zum Opfer fielen. Der Staat galt ihm
für vernichtet mit der Dynastie, welche bisher in ihm herrschte,
mit andern Worten: der Staat wurde zur res nullius, wenn
der Souverän, d. h. der Eigenthümer des Landes oder der
Herrschaft über dasselbe, weggefallen war. Talleyrand's Ein-
würfe gegen die durch Eroberung vollzogenen Ländererwerbungen
erstreckten sich sonach nicht auf die friedlichen, lediglich durch
dynastische Interessen bestimmten Länderaustausche und Länder-
abtretungen, auf welchen ein so großer Theil der zu Wien
errichteten Ordnung beruhte. Und darin hatten auch fast alle
übrigen Staatsmänner des Wiener Congresses ihm beigestimmt:
Abtretungen von Landestheilen und Unterthanen, Vereinigungen
1) Note Talleyrand's vom 19. Dec. 1814 (Klüber, Acten des
Wiener Congresses, VII, 53).