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hierfür; die patriarchalische Regierungsweise, welche die Stif-
tungsurkunde der Heiligen Allianz ihren Unterzeichnern zur
Pflicht machte, war freilich regelmäßig mit dem patrimonialen
Princip verbunden gewesen, ja ist sogar oft mit demselben
identificirt worden. 1) Aber eine ausdrückliche Proclamation
der patrimonialen Theorie als der Erklärung und Rechtserti-
gung einer nur wenig beschränkten Herrschaft des Souveräns
und eines vom Volkswillen schlechterdings unabhängigen Rechts
auf die Herrschaft war in dem genannten Vertrage nicht
enthalten.
Dagegen hat gerade die patrimoniale Theorie einen be-
rühmten literarischen Vertreter in Haller gefunden, dessen
Lehren wir nicht anstehen, theils für die Ausführung, theils
für die originelle Ergänzung der Doctrin zu erklären, welche
die europäische Reaction in den ersten Jahrzehnten nach den
Freiheitskriegen für den Inhalt des Legitimitätsprincips ausgab.
Die „Restauration der Staatswissenschaften“ ist von den
Anhängern der vorrevolutionären staatlichen Zustände für ein
„wahres Evangelium“ 2) angesehen worden; sie fand die wei-
teste Verbreitung und gelangte zu einem geradezu maßgebenden
Einflusse auf die Formulirung der politischen Anschauungen,
welche man als die dem legitimen Königthum entsprechenden
betrachtete. Das genannte Werk hatte sämmtliche conservative
Lehrmeinungen in sich aufgenommen und keineswegs blos das
Eigenthum an Grund und Boden, sondern auch die Gewalt
1) Maurenbrecher (Die deutschen regierenden Fürsten und die Sou-
veränetät, S. 8, Note 2) zählt mehrere Schriftsteller auf, welche, aller-
dings irrigerweise, patrimoniales, patriarchalisches oder hausväterliches
Princip als gleichbedeutend gebrauchen.
2) v. Mohl, Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, II, 537.