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machte, so ist die innige Verbindung Haller'scher Lehren mit
dem von der Heiligen Allianz vertretenen Legitimitätsprincip
begreiflich; auch diese theilte den Abscheu gegen alle modernen
Constitutionen, auch sie erkannte die Verbindlichkeit keines Eides
an, welcher auf eine durch Revolutionen oder sonstige Volks-
bewegungen veranlaßte Verfassung vom Fürsten geleistet wor-
den, und hat in den Königen von Neapel und Spanien bis
zur Nichtswürdigkeit getreue Anhänger gefunden. Auch die
Vertreter des Legitimitätsprincips flossen, wie die amtlichen
Mittheilungen über den Laibacher und Veroneser Congreß be-
weisen, von Frömmigkeit und Wohlwollen gegen die Mensch-
heit und insbesondere gegen die durch moderne Verfassungen
in ihrem Glücke bedrohten Völker über, und waren so theils
Nachahmer, theils vielleicht auch Musterbilder des verworrenen
und verbitterten berner Patriciers, der in seinem glühenden
Hasse und in seiner rasenden Verblendung gegen jede Idee
der Französischen Revolution vergaß, daß er die Revolution
vertheidigte, da er die Herrschaft der Gewalt vertrat, daß er
das Recht umstieß, da er durch die Berufung auf Gottes
Ordnung über die Nothwendigkeit wirklicher Verfassungsgesetze
hinwegzukommen trachtete und so schließlich, wie Hegel richtig
bemerkt 1), gegen seinen eigenen Willen beweist, daß es Gottes
Ordnung sei, nach welcher der Geier das unschuldige Lamm
zerfleische.)
Zwar hat Haller den Versuch gemacht, auch dem Fürsten
Schranken zu setzen; er erklärt die Beobachtung und beständige
Einschärfung des natürlichen Pflichtgesetzes von seiten der
Unterthanen und eine auf dieses gegründete Gehorsamsweige-
1) Philosophie des Rechts, herausgegeben von E. Gans, S. 317.
2) Restauration der Staatswissenschaften, I, 381.
Brockhaus, Legitimitätsprincip. 9