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Schranke nur dann, wenn dieser sie für eine Schranke seines
Rechts ansieht oder sich fürchtet, sie zu verletzen, d. h. sie als
eine Grenze seiner Macht erkennt. Was aber Haller sonst
noch an Schranken der fürstlichen Gewalt zu nennen weiß, ist
nichts als die leere Beigabe eines Mannes, der fürchtet, seine
Leser durch die unverhüllte Nacktheit seiner Gedanken zu em-
pören, ja der sich vielleicht selbst vor einem derartigen Anblick
scheut und trotz all der renommistischen Eitelkeit, mit welcher
er seine von Gott gezeugte Weisheit 1) anpreist, ahnen mochte,
daß ihm das Härteste geschehen sei, „was dem Menschen wider-
fahren kann: vom Denken und der Vernünftigkeit, von der
Verehrung der Gesetze und von der Erkenntniß, wie unendlich
wichtig, göttlich es ist, daß die Pflichten des Staats und die
Rechte der Bürger, wie die Rechte des Staats und die Pflichten
der Bürger gesetzlich bestimmt sind, so weit abgekommen zu
sein, daß sich ihm das Absurde für das Wort Gottes
unterschiebt“. 2)
Von dem Widerspruch gegen eine bestimmte staatsrecht-
liche Schule, welche dem Staate und nicht dem Fürsten die
Souveränetät zuspricht, getrieben, hat längere Zeit nach Haller
ein anderer Schriftsteller, Maurenbrecher, mit directer und
ausschließlicher Bezugnahme auf Deutschland, das Patrimonial-
princip als das Eigenthum der deutschen Fürsten an der
Souveränetät vertreten.
Aber es ist hier nicht der Ort, auf Werth und Unwerth
der so viel besprochenen und von der Wkssenschaft längst ver-
urtheilten Schrift 3) genauer einzugehen. Unsere Aufgabe er-
1) Restauration der Staatswissenschaften, I, Vorrede, S. 64.
:) Hegel, Philosophie des Rechts, S. 319.
2) Maurenbrecher, Die deutschen regierenden Fürsten und die Sou-
veränetät (1839).