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ruhte nicht, wie die constitutionelle Doctrin vor und nach ihr
von einer Repräsentativverfassung verlangte, auf einer Thei-
lung der Gewalten, sondern sprach die gesammte Staatsge-
walt dem Könige zu. 1)
Ludwig XVIII. hatte diese Concentration der Staatsge-
walt in der Hand des Königs aus der Geschichte des legi-
timen Königthums in Frankreich zu rechtfertigen versucht; er
hätte sie mit größerer Klarheit und mit größerm Rechte aus
dem Begriffe der Monarchie selbst ableiten können: denn nie-
mals konnte es und durfte es der Zweck der Repräsentativ-
verfassung eines monarchischen Staats sein, die Monarchie
zu Gunsten der Drei-, beziehentlich Zweiherrschaft verschiedener
politischer Factoren aufzuheben, deren Competenzen sich selbst
in Lehrbüchern und Verfassungsurkunden nicht scharf und deut-
lich gegeneinander abgrenzen ließen und noch viel weniger
im politischen Leben ruhig miteinander vertragen konnten.
Erst seitdem es von den Theoretikern wie Praktikern des
Staatsrechts als zweifellos feststehend angesehen wurde, daß
der König nicht blos als Repräsentant der vollziehenden Ge-
walt den Schein des Herrschers behalten, sondern als Träger
der gesammten Staatsgewalt auch den wahren Inhalt des
monarchischen Rechts behaupten sollte: erst von da an
wurde die sogenannte constitutionelle Regierungsform in den
Monarchien des europäischen Festlandes eine juristische Mög-
lichkeit. Jetzt erst verließ die Volksvertretung die in einer
Monarchie vollkommene unzulässige Stellung, welche sie von
den ersten Anfängen der Revolution an überall einzunehmen
getrachtet hatte, die Stellung nämlich einer dem Könige
1) Einleitung in die Charte vom 4. Juni 1814 (Pölitz, Europische
Verfassungen, II, 89).