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rechtmäßige, anwendbar. Zwar läßt Stahl auch den juristi-
schen Sinn des Legitimitätsprincips, d. h. die rechtmäßige
Nachfolge gegenüber der Usurpation, gelten. Aber er vergißt,
daß die rechtmäßige Nachfolge seinen Behauptungen gemäß
identisch mit der göttlichen Berufung ist, diese aber ausnahms-
los jeder Obrigkeit zutheil wird, weil sie ohne solche Berufung
gar nicht Obrigkeit werden kann.
Endlich aber streift Stahl den letzten juristischen Schim-
mer von seinem Legitimitätsprincip, wenn er behauptet, auch
die illegitime Dynastie werde im Laufe der Zeit, wenn die
Generationen darüber hingegangen, zur legitimen; „denn was
Gott zugelassen und durch die Zeiten erhalten habe, das zieme
der jetzigen Generation, die es ohne ihr Zuthun überkommen,
nicht vor ihr Gericht zu ziehen, den Gang der Begebenheiten
auszutilgen und noch einmal die Entscheidung zu beginnen“. 1)
Hiernach hört die Legitimität auf, eine Rechtsfrage zu sein,
und wird eine Zeitfrage, und der Heiligenschein, den Stahl
dem rechtmäßigen Könige allein aufdrücken will, wird in
Wahrheit die Glorificirung jedes Machthabers, der sich zu
behaupten weiß.
Stahl hat hierbei an eine Art staatsrechtlicher Verjährung
gedacht, wie solche gerade auf diesem Gebiete vielfache An-
hänger hat. Aber auch eine solche würde seinen Hauptsätzen
widersprechen; denn nach diesen ist der Usurpator im Augen-
blick der gelungenen Usurpation legitim und bedarf nicht erst
des Verlaufs einer längern Zeit, in welcher Gott die Usur-
pation hat bestehen lassen, da Gott sie ja hat entstehen
lassen, und dieser Titel auf die Herrschaft nach Stahl schon
genügen muß.
1) Stahl, a. a. O., S. 254.