Full text: Das Legitimitätsprincip.

179 
Wesen entspreche. Sonach bestehe der innerste Sinn der po- 
litischen Freiheit darin, daß das Volk nach seinen Rechten 
regiert werde, d. i. in Anerkennung bestimmter Befugnisse und 
einer bestimmten Sphäre der Unabhängigkeit für die Einzelnen 
und für das Ganze und daß es auf der Grundlage seiner 
eigenen Lebenswürdigung (Ethos) regiert werde, d. i. daß die 
Gesetze und beziehentlich die obersten Principien der Regierung, 
wie sie ursprünglich aus dieser hervorgingen, so auch in ihrer 
Fortbildung mit ihr im Bande bleiben. Die höchste Steige- 
rung dieser Freiheit sei aber die selbständige Vertretung aller 
dieser Principien durch das Volk der Regierung gegenüber, so- 
daß diese Vertretung bei Ausübung der Staatsgewalt noth- 
wendig werde. 1) Das berufene Organ dieser Vertretung und 
Mitwirkung sind die Reichsstände, welche als die Versamm- 
lung der Auserlesenen aus allen Ständen die wahre und reine 
Darstellung des Volks nach seinem ganzen Wesen, nach allen 
seinen Rechten, Interessen und Vermögen, „die echten Zeugen 
nationaler Lebenswürdigung“ sind.?) 
Aus einer gleich richtigen, von der politischen Partei- 
stellung Stahl's nur wenig beeinflußten Erkenntniß der Re- 
präsentativverfassung gehen die weitern Aeußerungen hervor: 
die Reichsstände seien eine Vertretung des Volks in dem Sinne, 
daß sie die Rechte und Interessen desselben wahren, nicht aber 
in dem Sinne, daß sie als Stellvertreter eine Macht übten, 
die ursprünglich und eigentlich dem Volk selbst zu üben zu- 
käme. Deshalb sei die Volksvertretung nicht eine Folge des 
Gedankens der Volkssouveränetät, sondern ihm gerade ent- 
gegengesetzt, indem sie das Volk als den gehorchenden Theil 
1) Stahl, a. a. O., S. 317. 
2) Ebendas., S. 318. 
127
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.