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ihnen befinden, vertreten werden; das nationale oder staats-
bürgerliche Princip als die eine von zwei gleich wesentlichen
Seiten im Volksdasein müsse sich sonach mit dem ständischen
Princip durchdringen, und es sei Thorheit, wenn Gentz und
seine Anhänger diese Durchdringung als revolutionär bezeich-
neten. Ja, Stahl macht sogar das für seine Parteistellung
außerordentlich weit gehende, jede Reaction ausschließende Zu-
geständniß, daß der historische Fortgang naturgemäß von der
ständischen Gliederung zur nationalen Einheit und nicht um-
gekehrt sei; man könne deshalb auch nicht wohl von der na-
tionalen Einheit zu der ständischen Gliederung, wenn man sie
einmal aufgegeben, wieder zurückkehren. )
Trotz alledem müssen wir aber voch in der Lehre Stahl's
von ver reichsständischen Verfassung nur die Vorbereitung des
Angriffs sehen, welchen er mit seinem monarchischen Princip
gegen den modernen Constitutionalismus führt. Nur unter-
nimmt er diesen Angriff von einer ganz andern Seite her als
seine Vorgänger: er behauptet, die wirkliche Repräsentatio-
verfassung zu vertheidigen und gibt seinen politischen Gegnern
schuld, daß sie eine von den geschichtlich gewordenen Verhält-
nissen des politischen Lebens abstrahirende, die Monarchie auf-
hebende Verfassung einführen wollten, welche das Princip der
Revolution, das der Repräsentativverfassung an sich nicht
innewohne, in der That in sich trage. ) So gibt sich Stahl
das Ansehen, als deute er in Wahrheit allein die unklaren
Wünsche der Neuzeit richtig und mache ihnen keine Opposition,
sondern corrigire sie nur. Gentz und seine Anhänger waren
in ganz anderer Weise gegen die Repräsentativverfassung zu
1) Stahl, a. a. O., S. 371.
2) Ebendas., S. 327.