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die oberste factische Autorität gegeben; das Parlament erschien
als die vom königlichen Willen unabhängigste Körperschaft des
Landes und die richterliche Unabhängigkeit mußte deshalb am
sichersten dann erscheinen, wenn man sie unter den Schutz des
Parlaments als des letzten und stärksten Wächters der Rechts-
ordnung stellte.
Auch ist bei der stabilen und doch verfassungstreuen Ge-
sinnung des Oberhauses sowie bei dem sichern Takte des
Unterhauses der Justiz gegenüber, welcher sogar dem Mini-
sterium die ausschließliche Besetzung erledigter Richterstellen
mit eigenen Parteigenossen zum Vorwurfe macht, diese An-
schauung für England ebenso richtig, als sie im ganzen für die
continentalen Landstände unrichtig sein würde.
Ebenso wenig können wir eine Verletzung des monarchi-
schen Princips in der Ministerverantwortlichkeit erblicken, wie
sie in England verfassungsmäßig besteht. Stahl meint, das
Parlament habe über die Personen der Minister und dadurch
thatsächlich über die Staatsregierung im ganzen „eine Gewalt,
die fast ohne Grenze“ sei 1); die Art und Weise der Anklage
und der Verurtheilung, die schweren, bis zur Todesstrafe auf-
steigenden Strafen, der Mangel einer Begrenzung des Be-
griffs der Verbrechen, um derentwillen ein Minister gerichtet
werden könne, endlich die Zulässigkeit der Bills of Attainder,
d. h. der in der Form von Gesetzen eingebrachten und zu
Gesetzen durch die königliche Sanction erhobenen Strafurtheile,
welche eben um ihres gesetzlichen Charakters willen auch eine
an sich nicht verpönte Handlung oder ein Vergehen zum Ver-
brechen stempeln können — dies alles zusammengenommen ver-
setze die Minister in eine unbedingte Abhängigkeit vom Par-
1) Stahl, a. a. O., S. 378.