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Recht des Veto nicht rechtlich suspendirt ist, sondern nur that-
sächlich ruht, so hat sich auch die Cabinetsregierung als etwas
Thatsächliches neben dem verfassungsmäßigen Geheimen Rathe
des Königs entwickelt und die Stellung des Königs nur that-
sächlich in einer Weise beschränkt, die, wenn sie in der Ver-
fassung selbst rechtlich firirt wäre, jedenfalls als eine Ver-
letzung des monarchischen Princips betrachtet werden müßte,
als eine neben der Verfassung bestehende, ja von dem eng-
lischen Staatsrecht nicht anerkannte, von Blackstone nicht ein-
mal erwähnte rein thatsächliche Bildung 1) aber nicht im
Stande ist, die monarchische Staatsform zu alteriren; ja wir
dürfen behaupten, daß eine derartige thatsächliche Beschränkung
des Monarchen, so weit sie auch geht, die Monarchie eher
befestige, als aufhebe: denn wo der Individualität des Kö-
nigs ein umfangreicher Spielraum gewährt ist, muß noth-
wendigerweise Werth und Unwerth der Monarchie nach Werth
und Unwerth des derzeitigen Monarchen gemessen werden,
während die regelmäßige Beschränkung des persönlichen Ein-
flusses des Königs bei fortdauernder Möglichkeit eines that-
sächlichen, durch die innere Bedeutung des Monarchen getra-
genen Einflusses der monarchischen Staatsform eine bleibende
Anerkennung und Hochachtung auch unter der Herrschaft un-
bedeutender oder unwürdiger Fürsten sichert, wie dies gerade
die englische Geschichte dieses Jahrhunderts lehrt. 2)
Deshalb also, weil die parlamentarische Regierung in
der That den Menarchen zur blos formellen Spitze des
Staats macht und ein unmittelbares Eingreifen desselben in
1) Vgl. die Worte Sir G. Cornwall Lewis’' und Macaulay's in
Fischel, a. a. O., S. 153, 154, und die Worte Canning's in Zachariä,
Deutsches Staats= und Bundesrecht, 3. Aufl., Bd. 1, S. 81, Note 2.
2) Vgl. Fischel, a. a. O., S. 116, bei Note 5.
Brockhaus, Legitimitäteprincip. 15